Quest
aus.
»Gedenkzeit?« echote Bailan. »Was soll das sein?«
Sie verdrehte ihre gro ss en dunklen wunderbaren Augen.
»Gedenkzeit! Vierzig Gyr Ruhe, wenn ein Edler gestorben ist.
Zwei Gyr, wenn es ein Freier war, und wenn ein Niederer stirbt
- nay bo …«
Bailan staunte. »Das wu ss te ich nicht.« Er blickte sich um.
»Hei ss t das, jetzt passiert erst mal gar nichts… ich meine, weil die Leute es alle so eilig haben…?«
»Oh, sicher, die können es kaum erwarten, um die Edle Vileena zu trauern.« Sie schien ärgerlich zu werden. »Und du?
Willst du auch trauern gehen?«
»Ähm, also… ich kannte sie eigentlich kaum…«
»Meinst du, ich? Sie war einmal in der Heilstation, als ich mir eine aufgeschürfte Hand verbinden lie ss . Hat mich kaum angesehen, also, warum soll ich sie mir ansehen?«
Bailan fragte sich, warum Eintausendvier sich so ärgerte, und wurde das Gefühl nicht los, selber der Anla ss zu sein. »Ja«, sagte er unbestimmt. »Das ist wirklich nicht notwendig.«
Es ging ein Stück weiter. Sie passierten das Zugangstor zum Hangar, dahinter teilte sich der Menschenstrom auf zwei Gänge auf.
»Ich mu ss in die andere Richtung«, meinte Bailan widerstrebend, als er merkte, da ss Eintausendvier sich wie die anderen Niederen nach rechts wandte.
»Ich hatte gehofft, du kommst vielleicht mit mir«, sagte sie und sah plötzlich sehr verletzlich aus. »Die Aufseher ruhen nämlich jetzt auch, wei ss t du?«
»Oh«, machte Bailan, als ihm dämmerte, was sie meinte.
»Aber ich dachte, du… beziehungsweise ich…«
»Denk nicht«, sagte sie und fa ss te seine Hand. »Komm.«
So schoben sie sich zwischen all den anderen durch den rechten Hauptgang und scherten an der Rampe mit den Niederen aus, hinab ins Unterdeck. Am unteren Ende standen allerlei Putzwagen und Förderkarren in Halterungen verzurrt, und ein unangenehmer Geruch nach abgestandener Luft und faulenden Abfällen hüllte sie ein. Bailan schauderte, als sie am Ausgang des Schachts vorbeikamen, durch den sie das erste Mal hinabgestiegen waren und in dem die Erste Heilerin zu Tode gekommen war. Der Gang war jetzt mit Sensorfolie in Warnfarben abgeklebt, Reparaturarbeiten versprach ein Schild.
Er warf Eintausendvier, die angestrengt nach etwas Ausschau zu halten schien, einen heimlichen Blick zu. Sie hatte ihn damals gewarnt. Gut möglich, da ss sonst er die Leiter hinabgefallen wäre. Damals hatte er nichts von dieser Gefahr geahnt. Er hatte auch nicht geahnt, da ss er hier zum ersten Mal eine Frau umarmen würde.
Wie schön sie war… Er spürte ein schmerzhaftes, sehnsüchtiges Ziehen in seinem Körper aufsteigen. Und dieses Mädchen an seiner Seite wollte ihm erneut die Umarmung gewähren. Sein Atem ging schneller bei diesem Gedanken.
»Hier entlang«, zischte sie plötzlich und schob ihn in einen schmalen Seitengang.
Er folgte ihr durch das von schmalen Lichtstreifen durchzogene Halbdunkel, staunte über die Anmut ihrer Bewegungen und fühlte m it jedem Schritt seine Erregung wachsen. Das Brabbeln der anderen verlor sich in der Ferne. Sie marschierten an Regalen, Schränken und brummenden Maschinenanlagen vorbei, die sanfte Wärme abstrahlten. Und als sie ihn endlich hei ss umfing, meinte Bailan zu bersten vor Begehren.
Es herrschte Ruhe im Oberdeck. Aus dem Speiseraum waren Stimmen zu hören, gedämpft, verhalten, freudlos. Quest durchquerte leise den abgedunkelten Flur, betrat die Heilstation und schlo ss die Tür hinter sich ab. Er machte Licht, sah sich um.
Verlassene Schränke, einsame Geräte, alles sauber und glänzend.
»Vileena…«, flüsterte er, schwer atmend, als bereite ihm das Luftholen Schmerzen.
Er ging langsam durch den Raum, zu dem Schrank, in dem die Heilerin ihre persönlichen Dinge aufbewahrt hatte, seine rechte Hand und die Finger daran gedankenverloren bewegend, als könne er so das Kribbeln darin vertreiben. Er wu ss te, da ss er es so nicht vertreiben würde. So hatte es damals angefangen, und es war nicht wieder verschwunden, nicht ehe Vileena begonnen hatte, ihn zu behandeln.
Er zog die Mappe ohne Namen heraus, breitete sie vor sich aus, studierte die schmale Schrift der Frau, die jetzt kalt und starr im Weltraum trieb. Er las, was sie geschrieben hatte, nur die Hälfte oder weniger verstehend. Er durchsuchte die Schränke, Schubladen, Regale, fand Gläser mit Sud Blau und Sud Klar, fand den Tiegel mit Paste Grün und die Messer, nein, das würde er nicht selber machen können, das nicht!, fand
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