Quest
sie in den javuusischen Speichern entdeckt hatten, verwendeten einen völlig unbekannten Kalender. Wenn es gelang, die darauf genannten Ereignisse mit bekannten historischen Zeitpunkten zu verbinden, konnte das wertvolle Informationen liefern. Und wenn nicht, war es zumindest eine spannende Knobelei. Kuton mochte es, zu knobeln, sich durch Bücher und Datenbanken zu wühlen und den Gedanken freien Lauf zu lassen, während in der Tiefe des Schiffs Triebwerke tosten und Generatoren wummerten, während in der Trennwand das Wasserrohr gluckerte und vom Deck darüber das Klappern von Schritten zu hören war. Das war alles so vertraut, schuf eine Stimmung von Behaglichkeit, die ihm half, sich zu konzentrieren.
Und zu vergessen…
Als es klopfte, sah er höchst ungern auf. »Ja, bitte?«
Die Tür ging auf. Er wollte es nicht glauben, wer den Kopf hereinstreckte. »Edler Muntak! Ihr?«
»Ist es gestattet, einzutreten?« fragte der Erste Pilot mit ungewohnter Höflichkeit. »Oder störe ich?«
»Oh, nein, natürlich nicht. Kommt herein, kommt herein, wartet…« Kuton war schon a ufgesprungen, fegte Kleider und Papiere von seinem zweiten Stuhl, klopfte hastig mit der Hand die Sitzfläche ab. Ein Edler! In seiner Kabine! Das war hier doch alles eines Edlen nicht würdig, wie kam er dazu…? »Ihr mü ss t vielmals entschuldigen, wie es hier aussieht, aber ich hatte nicht damit gerechnet… und schon gar nicht…«
»Schon gut.« Muntak nahm ihm den Stuhl aus der Hand und setzte sich. »Niemand erwartet das.« Er verschränkte die Arme, sah Kuton an und bedeutete ihm schlie ss lich, sich ebenfalls zu setzen. »Und niemand wei ss , da ss ich hier bin. Verstehen Sie?«
»Ja«, beeilte sich Kuton zu nicken. Dann überlegte er, ob er wirklich verstand, was der Edle meinte. »Ich glaube schon.«
»Darf ich Sie etwas fragen, Tennant?«
»Ja, sicher, ich meine… Ja. Bitte.«
»Ich nehme an«, sagte Muntak, und seine Kinnpartie spannte sich plötzlich an dabei, »es ist Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen, da ss dieser Mann, den wir aus seinem Wrack aufgelesen haben - Smeeth - und die Erste Heiler in…«
Da war es wieder. Das, was er vergessen wollte. Da war es wieder und tat immer noch weh.
»Ja«, sagte Kuton, nicht darauf achtend, da ss er dem Edlen das Wort abschnitt. »Es ist mir nicht entgangen.«
Muntak nickte. »Und? Was denken Sie darüber?«
»Es steht mir nicht zu, darüber ein Urteil abzugeben.«
»Aber Sie müssen doch irgendetwas darüber denken. Es bleibt unter uns, keine Sorge.«
»Verzeiht mir, aber ich will trotzdem nichts dazu sagen«, beharrte der Wissenschaftler und hatte Angst, der Erste Pilot könnte seine Stimme beben hören. »Die Erste Heilerin ist eine Edle, und Smeeth ist ebenfalls ein Edler. Was also soll ich dazu sagen?«
Muntak holte tief Luft, lehnte sich zurück. »Glauben Sie, da ss das stimmt? Da ss Smeeth ein Edler ist, meine ich.«
»Der Kommandant hat es so entschieden, habe ich gehört.
Und ich habe das fraglos zu akzeptieren.«
»Ja, ja, schon. Aber Smeeth war ein Bürger der alten Republik. Normalerweise wäre er ein Freier, nicht wahr? Sie als Historiker mü ss ten das doch wissen.«
Kuton merkte, da ss ihm das Atmen schwerfiel. »Sicher. Aber er war Kommandant eines Raumschiffes…«
»Hat er uns erzählt.«
Kuton fühlte seinen Unterkiefer herabsinken, ohne da ss er etwas dagegen hätte tun können. Vermutlich sah er aus wie ein sabbernder Idiot, starrte Muntak an, endlos, und das plötzliche Schweigen war wie ein Abgrund. »Ihr meint…?« Mühsam gewann er die Kontrolle über seine Stimme zurück. »Ihr meint doch nicht etwa…?«
»Ich frage blo ss «, sagte Muntak kalt. »Er hat es uns gesagt .
Aber wir wissen es nicht. Was wir wissen, ist, da ss von zehn Kühlkammern an Bord der Rrigg neun versagt haben, und zwar so vollständig, da ss die Leute darin nur noch gefriergetrocknete Mumien sind. Einzig Smeeth ist gesund wie nur irgend jemand.
Bei den dunklen Sternen, er hustet nicht einmal!« Er beugte sich vor und sah Kuton an. Seine Augen glitzerten zornig. »Haben Sie sich noch nie gefragt, ob dabei alles mit rechten Dingen zugega ngen ist?«
FÜNFTES BILD
DIE LEGENDE DER ZWÖLF
1
D er obere Hangar lag um diese späte Nachtzeit dunkel und verlassen, jeder Schritt darin hallte, da ss man hätte meinen können, das halbe Schiff müsse davon aufwachen. Die Rrigg war ein unheimlicher, bedrückender Schatten und grö ss er als Kuton sie in
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