Quicksilver
anderen Straßenseite geschleppt worden waren, wo man die Seile, die ihre Arme vorübergehend hinter ihrem Rücken festgehalten hatten, gegen eiserne Fesseln austauschte, die sie bis zu ihrer Freilassung tragen würden. Nachdem man sie mit so viel Metall, dass sie nicht einmal mehr gehen konnten, in Eisen gelegt hatte (so nannte man das), wurden sie quer durch das Gewölbe geschleift und in das Verurteiltenloch geworfen, um für ein paar Tage oder Wochen im Dunkeln zu schmoren. Dahinter stand die Absicht, herauszufinden, wie viel Geld sie tatsächlich besaßen. Wenn sie Geld hatten, boten sie es schon bald den Gefängniswärtern im Tausch gegen leichtere Ketten oder sogar eine nette Wohnung im Kelterhof an. Hatten sie keins, wurden sie in so etwas wie das Steinloch gesteckt.
Wenn man das Verurteiltenloch an einem willkürlich gewählten Tag aufsuchte, konnte man davon ausgehen, dass es mit schwer in Eisen gelegten Neuankömmlingen gefüllt war. Die waren für Jack und Bob nicht von Interesse, jedenfalls noch nicht. Stattdessen kamen die Shaftoe-Jungs an den Tagen unmittelbar vor den Tyburn-Prozessionen her, wenn das Verurteiltenloch voll war mit Männern, die gerade zum Tode durch den Strang verurteilt worden waren. Da hatten sie ihren Auftritt.
Um die Zeit ihrer Geburt war der König nach England zurückgekommen und hatte den Theatern, die unter Cromwell geschlossen worden waren, erlaubt, ihre Pforten wieder zu öffnen. Die Shaftoe-Jungs hatten ihre Kletterkünste dazu genutzt, sich dort einzuschleichen, und dabei ein Ohr für die besondere Sprache der Schauspieler und ein Auge für ihre Art, Dinge zu tun, entwickelt.
Ihre Newgate-Auftritte begannen also mit einer kleinen Pantomime: Jack versuchte, Bob zu bestehlen. Der wirbelte herum und versetzte ihm einen Schlag. Jack erstach ihn mit einem hölzernen Dolch. Dann (2. Akt) sprang Bob auf und verwandelte sich in den langen Arm des Gesetzes, packte Jack mit einem Hebelgriff, (3. Akt) setzte eine Perücke auf (die sie unter schrecklicher Gefahr von einem Nachttisch in einem Bordell in der Nähe des Temple geklaut hatten) und verurteilte ihn zum Tod durch den Strang. Dann (4. Akt) tauschte Bob die weiße Perücke gegen eine schwarze Kapuze, warf eine Schlinge um Jacks Hals und blieb hinter ihm stehen, während Jack mit einer Handbewegung für Ruhe sorgte (denn zu diesem Zeitpunkt befand sich die gesamte Verurteiltenzelle kurz vor dem Aufruhr), dann wie ein irisches Kind, das zur Erstkommunion geht, in die Hände klatschte und (5. Akt) den folgenden Monolog von sich gab:
John Ketch sein Seil schmückt meinen schlanken Hals,
Reibt mich nicht wund, obschon grob und grausam.
Denn wie das Halsband der Harmonia
Bringt es dem Träger ew’ges Leben.
Der Henker nähert sich – er wird mich abdrehn
Und meine Seel vom schwachen Fleische trennen.
Und, da ich Frieden mit Gott dem Herrn gemacht,
Wird mein Geist zum Himmelstore steigen,
Wo, nach kurzer Prüfung, Christus mich –
Bob tritt vor,
gibt Jack einen Stoß und reißt dann das Seil hoch über seinen Kopf.
AAAH! Gottes Wunden! Die Schlinge würgt mich ja!
Welch Schuft hat diese Hinrichtung erdacht?
Hätt ich doch Jack Ketch bestochen, es schnell zu machen.
Doch, bei so vielen vornehmen Königsmördern,
die heuer zur Hinrichtung nach Tyburn gekommen sind,
ist der Preis für einen sofortigen, schmerzlosen Tod ziemlich
hochgeschnellt – weit über die bescheidenen Mittel
gewöhnlicher Verurteilter hinaus, die nun so schmerzvoll
sterben müssen, wie sie gelebt haben. Gottverflucht!
Verflucht auch Jack Ketch; der verstorbene John Turner; und
die Richter, die so viele Reiche an den Galgen geschickt
und so besagter Inflation Auftrieb gegeben haben.
Verflucht auch meine Wenigkeit. Denn, zu einem Preis,
kaum höher als ein Abend im Pub,
hätt’ ich jene trefflichen Shaftoe-Jungs anheuern können,
Klein-Jack und Bob, den älteren der beiden,
sich an meine Beine zu hängen, die, ohn’ solchen Ballast,
völlig fruchtlos in der Luft herumfuchteln,
und eine Art Unterhaltung darstellen für
die Beweglichen .
Bob nimmt die Schlinge von Jacks Hals.
Doch sacht! Das Ende naht –
die Erde verblasst – neue Welten vor meinen Augen erstehen –
kann das der Himmel sein? Warm will mir’s scheinen, als wär’
eine Kohlenpfanne unter dem Erdboden angefacht worden.
Vielleicht ist’s die Wärme von Gottes süßer Liebe,
die mich so umfängt.
Bob nähert sich, als Teufel verkleidet, mit einem langen spitzen Stock.
Wie das? Was ist das
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