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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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bevor er es ablehnen konnte, war schon eine zweite Frau mit einem Fass viel höherwertiger und dennoch weitaus billigerer Tinte auf dem Rücken zur Stelle; die beiden gerieten in Streit, was Signor Cozzi ausnutzte, um ins Haus zu schlüpfen und Jack mit einem Zwinkern seiner großen braunen Augen hereinzubitten. Da konnte Jack der Versuchung nicht widerstehen, sich zum ersten Mal, seit er die Stadt betreten hatte, umzuschauen. Er erblickte einen mit einem Degen bewaffneten Mann in einer düsteren Art von Umhang, der sich gerade in diesem Moment umdrehte, um sich davonzustehlen: Dieser Polizist hatte den halben Morgen damit zugebracht, einen völlig legitimen Bankiersboten zu verfolgen. »Werdet Ihr verfolgt?«, fragte Signor Cozzi, als wollte er von ihm wissen, ob er ein- und ausatme.
    »Jetzt nicht«, antwortete Jack.
    Es war wieder so ein Ort, der aus bancas mit großen, mit Vorhängeschlössern versehenen Büchern und schweren Truhen auf dem Boden bestand. »Woher kennt Ihr meinen Cousin«, fragte Cozzi und machte deutlich, dass er Jack keinen Platz anbieten würde. Cozzi selbst setzte sich hinter einen Schreibtisch und machte sich daran, Schreibfedern aus einem kleinen Krug zu nehmen und ihre Spitzen zu prüfen.
    »Eine Freundin von mir hat, äh, seine Bekanntschaft gemacht. Als er durch sie erfuhr, dass ich vorhatte, nach Paris zu reisen, drängte er mir diesen Brief auf.«
    Cozzi schrieb etwas nieder, schloss dann eine Schreibtischschublade auf, fing an darin zu wühlen und Münzen herauszusuchen. »Hier steht, falls an dem Siegel herumgepfuscht worden sei, solle ich Euch auf die Galeeren schicken.«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    »Falls das Siegel intakt sei und Ihr mir den Brief innerhalb von vierzehn Tagen, nachdem er geschrieben wurde, brächtet, solle ich Euch einen Louis d’Or aushändigen. Bei zehn Tagen bekämt Ihr zwei. Bei weniger als zehn einen zusätzlichen Louis d’Or für jeden Tag, um den Ihr die Reise verkürzt hättet.« Cozzi ließ fünf Goldmünzen in Jacks Hand fallen. »Wie habt Ihr das bloß geschafft? Niemand reist in sieben Tagen von Amsterdam nach Paris.«
    »Betrachtet es als Geschäftsgeheimnis«, sagte Jack.
    »Ihr seid ja kurz vor dem Umfallen – geht irgendwohin und schlaft«, sagte Cozzi. »Und wenn Ihr bereit seid, nach Amsterdam zurückzukehren, kommt zu mir, vielleicht habe ich dann eine Nachricht, die Ihr meinem Cousin überbringen könnt.«
    »Was veranlasst Euch zu der Vermutung, dass ich zurückkehre?«
    Zum ersten Mal lächelte Cozzi. »Euer Blick, als Ihr von Eurer Freundin spracht. Ihr seid verrückt vor Liebe, stimmt’s?«
    »Verrückt vor Syphilis, um genau zu sein«, sagte Jack, »aber auf jeden Fall verrückt genug, um zurückzukehren.«
     
    Mit dem Geld, das er verdient, und dem, das er mitgebracht hatte, hätte Jack sich eine ordentliche Bleibe suchen können – doch er wusste weder, wie er eine solche Bleibe finden, noch, wie er sich benehmen sollte, wenn er eine gefunden hatte. Das vergangene Jahr hatte ihn gelehrt, wie wenig es letztlich zählte, ob man Geld hatte oder nicht. Ein reicher Landstreicher war und blieb ein Landstreicher, und es war allgemein bekannt, dass König Charles während des Interregnums in Holland ohne Geld gelebt hatte. So wanderte Jack quer durch die Stadt zu dem Viertel, das man Marais nannte. Sich zu bewegen bedeutete mittlerweile, seinen Körper in enge, nur zeitweise klaffende Lücken zwischen anderen Fußgängern zu quetschen – in der Hauptsache Verkäufer, zum Beispiel von (in manchen Vierteln) peaux de lapins (Bündeln von Hasenfellen), Körben (diese Leute schleppten riesige Körbe voller kleinerer Körbe), Hüten (entwurzelte Bäumchen, an deren Ästen Hüte schaukelten), linge (eine Frau lief über und über mit Spitze und Kopftüchern behängt herum) und (als er ins Marais kam) chaudronniers mit Töpfen und Pfannen, die an ihren Griffen von einem Stock baumelten. Essigverkäufer mit Fässern auf Rädern, Musikanten mit Dudelsäcken und Drehleiern, Kuchenverkäufer mit weiten, flachen Körben voller dampfender Süßwaren, die Jack leicht benommen machten.
    Als er mitten im Marais war, fand Jack eine Pissecke, wo er stehen bleiben konnte, und richtete seine Aufmerksamkeit ungefähr eine halbe Stunde lang in die Luft über den Köpfen der Leute und lauschte, bis er einen bestimmten Schrei hörte. Jeder auf der Straße rief irgendetwas , normalerweise den Namen der Ware, die er verkaufte, und die ersten paar Stunden war

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