Quicksilver
Mörder nicht in meine Kammer lasst?«
»Das würde ich wollen, wenn ich eine niederträchtige, feige Kröte wäre«, sagte Bob Shaftoe. »Und wenn Ihr mich weiter dafür haltet, lasse ich Bob und Dick vielleicht doch noch herein.«
»Bitte verzeiht mir, Sergeant. Ihr seid zu Recht zornig auf mich. Es ist nur so, dass ich mir nicht vorstellen kann, welche Art von Handel Ihr und ich...«
»Habt Ihr den Burschen gesehen, der kurz vor Sonnenuntergang ausgepeitscht wurde? Durch die Schießscharte dort hättet Ihr ihn eigentlich draußen im Trockengraben sehen müssen.«
Daniel erinnerte sich sehr gut. Drei Soldaten waren mit ihren Piken herausgetreten, hatten sie knapp unterhalb der Spitzen zusammengebunden und die Schäfte zu einem Dreibein auseinander gespreizt. Ein Mann mit nacktem Oberkörper, die Hände vor dem Bauch gefesselt, war herausgeführt worden, man hatte den Strick über die Stelle geworfen, wo die Piken zusammengebunden waren, und straff gespannt, sodass es ihm die Arme über den Kopf gezogen hatte. Schließlich hatte man ihm die Beine gespreizt und sie auf Höhe der Knöchel an die Pikenschäfte rechts und links von ihm gefesselt, damit er sich nicht mehr rühren konnte, und dann war ein kräftiger Mann mit einer Peitsche gekommen und hatte sie benutzt. Alles in allem war es ein in Militärlagern durchaus alltäglicher Ritus, der zu einem großen Teil erklärte, warum bemittelte Menschen versuchten, so weit wie möglich von Kasernen entfernt zu wohnen.
»Ich habe nicht richtig darauf geachtet«, sagte Daniel, »ich bin mit der allgemeinen Prozedur vertraut.«
»Ihr hättet vielleicht genauer hingesehen, wenn Ihr gewusst hättet, dass der Ausgepeitschte sich Mr. Dick Gripp nennt.«
Daniel fehlten die Worte.
»Sie wollten gestern Nacht zu Euch«, sagte Bob Shaftoe. »Ich habe sie in getrennte Zellen stecken lassen, während ich überlegte, was ich mit ihnen machen soll. Getrennt mit ihnen geredet, und alles, was ich von ihnen gehört habe, war Schaumschlägerei. Tja. Manche Leute haben das Recht, so zu reden, sie sind durch ihre Taten und das, was sie durchlebt haben, gewissermaßen geadelt worden. Ich fand nicht, dass Bob Carver und Dick Gripp von diesem Schlage waren. Andere lässt man einfach deshalb so reden, weil sie uns damit unterhalten. Ich hatte einmal einen Bruder, der so war. Aber nicht Bob und Dick. Nun bin ich leider kein Magistrat und habe nicht die Befugnis, Leute ins Gefängnis zu werfen, sie zu zwingen, Fragen zu beantworten et cetera . Andererseits bin ich Sergeant und habe die Befugnis, Männer für den Dienst des Königs zu rekrutieren. Da es sich bei Bob und Dick eindeutig um Tagediebe handelte, habe ich sie auf der Stelle für die King’s Own Black Torrent Guards rekrutiert. Im nächsten Moment ging mir auf, dass ich einen Fehler gemacht hatte, denn die beiden waren undiszipliniert und mussten gezüchtigt werden. Da habe ich mich des ältesten Kniffs der Welt bedient und Dick – der mir wie der bessere Mann vorkam – direkt vor Bobs Zellenfenster auspeitschen lassen. Nun ist Dick ein kräftiger Kerl, er ist ungebeugt, und vielleicht behalte ich ihn im Regiment. Bob dagegen sieht seine Züchtigung – die für Sonnenaufgang angesetzt ist – mit ganz ähnlichen Augen wie Ihr das Schneiden des Steins. Also hat er vor einer Stunde seine Wachen geweckt, die Wachen haben mich geweckt, und ich habe einen Plausch mit Mr. Carver gehalten.«
»Sergeant, Ihr seid so umtriebig, dass ich gar nicht allem folgen kann, was Ihr so tut.«
»Er hat mir gesagt, dass Jeffreys persönlich ihm und Mr. Gripp befohlen hat, Euch die Kehle durchzuschneiden. Sie sollten es langsam tun und Euch, während Ihr im Sterben liegt, erklären, dass Jeffreys es veranlasst hat.«
»Ich habe mit so etwas gerechnet«, sagte Daniel, »und doch macht es mich schwindelig, es in schlichte Worte gefasst zu hören.«
»Dann warte ich, bis Ihr Eure fünf Sinne wieder beisammen habt. Oder vielmehr, bis Ihr wütend werdet. Verzeiht mir, wenn ich mir anmaße, einen Menschen von Eurer Gelehrsamkeit belehren zu wollen, aber in einem solchen Moment müsstet Ihr wütend werden.«
»Das überaus Merkwürdige an Jeffreys ist, dass er Menschen abscheulich behandeln kann, ohne sie je wütend zu machen. Er hat einen seltsamen Einfluss auf das Denken seiner Opfer, wie eine Glasröhre, die einen Strom Wasser biegt, sodass wir das Gefühl haben, wir verdienen es.«
»Ihr kennt ihn schon lange.«
»Ja.«
»Töten wir
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