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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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nach Hause.«
    Auf dem Weg hinaus wurde Sebastián bewusst, was seine Verbannung bedeutete: Der Mörder seines Vaters und seines Onkels würde ungestraft davonkommen. Und Montilla würde die Ländereien der Fonsecas in den Ruin treiben. Niedergeschlagen nickte er dem Kutscher zu, der ihm den Schlag aufhielt.
    »Bringen Sie mich zu Doña Frasquita.«

|77| Der Mantel der Welt
    U nter normalen Umständen wäre er unangemeldet bei Frasquita erschienen. Aber nach der Auseinandersetzung mit Onofre Boncalcio wollte er lieber die Form wahren, und so wartete er im Entree auf die Rückkehr der Zofe. In Boncalcios Haus herrschte geschäftiges Treiben: Handwerker restaurierten die Wandfriese und vergoldeten den Stuck in den Hauptkorridoren, andere erneuerten die Wandverkleidung und ersetzten den Kattun durch fein bemalte Papiere, neue Hocker und Kanapees wurden ausgepackt, und ein Dienstmädchen stellte ein neues chinesisches Porzellanservice in ein bauchiges Büfett.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zofe zurückkam, begleitet von einem der teuersten französischen Friseure ganz Madrids, der ihr gerade wortreich erklärte, was sie bei der Hochfrisur ihrer Herrin alles zu beachten habe. Stolz verkündete er noch, die in dreieinhalb Stunden aufgesteckte Haartracht namens »Die Eifersüchtige« gelte als der
dernier cri
und verrate den Gemütszustand ihrer Trägerin, bevor das Mädchen mit einem Seufzer der Erleichterung endlich die Tür hinter ihm schließen konnte.
    Frasquita befand sich in einem Zimmer im hintersten Teil des Hauses, das sie normalerweise nur zum vertraulichen Plausch mit ihren engsten Freundinnen und zum Handarbeiten nutzte, wohin sie sich nun aber für die Dauer der Bauarbeiten geflüchtet hatte. An der Wand hingen zwei Scherenschnitte, die man im Retiro-Park von ihr und ihrem jungen Hausfreund angefertigt hatte, als dieser ihr den Hof zu machen begann und die Schattenbilder |78| gerade in Mode kamen. Sebastiáns unverwechselbares Profil war deutlich zu erkennen.
    Frasquita saß auf einem maurischen Schemel und klöppelte. Neben ihr, auf einem samtenen, mit goldener Borte eingefassten Kissen, ruhte das Schoßhündchen, das Sebastián ihr geschenkt hatte.
    »Ich wollte gerade meinen Nachmittagsimbiss einnehmen. Möchtest du eine Tasse Schokolade?«
    Sebastián schüttelte den Kopf. »Ein Mokka wäre mir lieber.«
    Frasquita winkte der Zofe, die kurz darauf neben dem Gewünschten auch noch Gebäck, eine Auswahl an Kompotten und eine große Glaskaraffe mit kalter Erdmandelmilch brachte. Als sie den Kaffee servierte, entging der Dame des Hauses nicht, mit wie viel Wohlgefallen Sebastián das junge Mädchen betrachtete, dessen Mieder ihre grazile Taille und das Dekolleté betonte. Sie sind beide noch so jung, dachte sie mit einem Anflug von Traurigkeit.
    »Wie geht es dir? Wann sollst du abreisen?«, fragte sie ihren Hausfreund, während sie ihm ein großes Glas Wasser mit einem rosafarbenen Stück Würfelzucker reichte.
    »Morgen. Spätestens übermorgen«, sagte der junge Mann und musste schlucken, bevor er weitersprechen konnte. »Es tut mir leid, dass das Duell mit dem Marqués in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Ich wollte dich nicht kompromittieren   …«
    »Ach, vergiss es. Man sollte nicht so viel Wesen darum machen. Das ist doch wie mit den Kochtöpfen: Je fester man den Deckel verschließt, umso mehr brodelt es darin«, erwiderte Frasquita. »Erzähl mir lieber, was mit deinem Palais passiert. Brauchst du Hilfe?«
    »Vielleicht. Ich traue Vélez nicht über den Weg.« Sebastián seufzte. »Du weißt ja, dass mein Vater mit Geld nicht umgehen konnte. Ich fürchte das Schlimmste.«
    »Deine Mutter sagte immer, dass euer Verwalter wie einer dieser Ärzte sei, die eine Wunde mit Absicht weiter eitern lassen, damit sie sich nicht um ihr Einkommen bringen.« Frasquita legte das Kissen mit der Klöppelarbeit beiseite. »Aber trag es deinem Vater nicht nach. Er hat schwere Schicksalsschläge einstecken müssen. |79| Viele haben ihm den Rücken gekehrt, als über die Fonsecas das Scherbengericht gehalten wurde.« Als Sebastián schwieg, nahm sie seine Hand. »Ich bin überzeugt davon, dass du für dich sorgen kannst, aber ich weiß nicht, inwieweit du auf das vorbereitet bist, was dich erwartet. Du glaubst, du seist es, weil du in jungen Jahren schon viele Enttäuschungen erlebt hast. Doch ich bin mir da nicht so sicher. Deine Mutter hat dich mir ans Herz gelegt. Sie wusste, wie arglos und unerfahren du

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