Rabenfeuer - Die Flammen der Goettin
Kind mehr!«, platzte es aus ihm heraus. »Ich sehe nicht ein, ein Leben abseits von allem führen zu müssen, nur weil du dich einem dahergelaufenen Mann hingegeben hast.«
Er bereute seine Worte in dem Moment, als er sie ausgesprochen hatte. Seine Mutter erbleichte und senkte den Kopf. Raven fluchte, humpelte an ihr und Amartus vorbei in die Kate und warf die Tür hinter sich zu.
»Mana.« Amartus trat einen Schritt auf sie zu. »Raven meint es nicht so.«
»Oh doch, das tut er«, entgegnete sie und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Er denkt bereits eine Weile so, nur hat er es heute zum ersten Mal laut ausgesprochen.«
»Eines Tages wird er die Wahrheit erfahren und verstehen, welches Opfer du für ihn gebracht hast.«
Sie schien widersprechen zu wollen, dann schüttelte sie den Kopf und wechselte das Thema. »Was hatte Raven auf dem Fest zu suchen?«
»Ich vermute, er wollte bei den Kriegerwettkämpfen zuschauen.«
»Die Wettkämpfe? Warum das? Wie leicht hätte Wegon ihn entdecken können!«
»Der Fürst hat ihn nicht bemerkt, da bin ich mir sicher.« Amartus‘ Stimme wurde weich. »Und Ravens Begeisterung für die Kampfspiele ist nicht verwunderlich, er ist ein junger Mann und Wegons Blut fließt in seinen Adern.«
Manas Brauen verengten sich. »Wegons Blut soll schuld sein an Ravens Interesse für das Kriegshandwerk? Wohl eher deine Ausbildung, Amartus!«, rief sie aufgebracht. »Meinst du, ich weiß nicht, was du Raven heimlich beigebracht hast? Reiten, Schwertkampf, Speerwerfen! Du hast ihm weisgemacht, er könnte ein Krieger werden, trotz seiner Lähmungen. Sieh, was du damit angerichtet hast!«
»Raven ist ein Krieger, Mana«, wies er sie sanft zurecht. »Er trägt das Erbe der Fürsten von Sarwen in sich.«
»Aber es nützt ihm nichts, denn wir wurden verstoßen und Raven um seine Herkunft betrogen.«
»Ravens Stern wird aufgehen«, erwiderte er bestimmt. »Dein Sohn erhält seine Chance, wenn die Zeit reif ist.«
Böse funkelte sie ihn an. »Ravens Stern wird nicht aufgehen, denn er wird in ein paar Tagen an Wundbrand sterben. Und du trägst die Verantwortung dafür, Amartus!«
»Es ist nicht Ravens Schicksal, in einem Bett den Tod zu finden.«
»Hör auf mit deinen Prophezeiungen, Hüter! Sie haben uns schon einmal ins Unglück gestürzt. Ich hätte Wegon erlauben sollen, Raven umzubringen, das wäre für uns alle gnädiger gewesen.«
»Mana!« Amartus packte sie am Arm. »Ich verstehe deinen Schmerz ...«
»Du verstehst nichts!«, schrie sie. »Vielleicht wird Raven heute überleben, nur, um dann einen frühen Tod im Bergwerk zu finden. Ich wollte einst sein Leben retten, aber zu welchem Preis? Er wird ausgelacht und verspottet, sein einziger Freund ist ein Rabe, und mein Trost und meine Gegenwart sind ihm schon lange nicht mehr genug.« Traurig sah sie den Hüter des Waldes an. »Am Tag nach seiner Geburt hast du mir gesagt, es werde alles gut für uns«, erklärte sie bitter. »Amartus, ich glaube längst nicht mehr daran.«
Er betrachtete sie einen Moment schweigend. »Lass uns ins Haus gehen, Mana. Raven braucht unsere Hilfe«, erwiderte er schließlich.
Sie seufzte, dann ging sie voran und öffnete die Tür. Aus einer Truhe nahm sie Stofflappen und reichte sie ihm.
»Bring mir warmes Wasser und Kerzen, ich brauche mehr Licht«, bat der Hüter, bevor er in die dunkle Ecke der Kate schritt, wo Ravens Bett stand. Der junge Mann hatte die Augen geschlossen und Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Leise nahm Amartus auf einem Hocker neben dem Bett Platz. Als er am Fußende des Lagers einen Schatten wahrnahm, lächelte er. »Schön, dass du hier bist, Gorik. Ich könnte deine Hilfe gut gebrauchen.«
Kaum hatte Mana eine Schüssel mit Wasser gebracht und Kerzen um sie herum entzündet, ließ sich der Rabe neben Ravens Kopf nieder. Er breitete eine Schwinge aus und legte sie über die Augen des Verletzten. Raven stöhnte kurz, doch er erwachte nicht – weder als Amartus die Wunde auswusch noch, als er später begann, sie mit feinen Stichen zu nähen.
2
Fünf Jahre später
Raven kniete neben einer großen Pfütze, die sich im Schachtsumpf gebildet hatte, und schöpfte Wasser in einen hölzernen Eimer. Kaum hatte er das Gefäß gefüllt, nahm ein anderer Wasserknecht es ihm ab und reichte es in einer Kette dem nächsten Mann, bis der Eimer außerhalb des Bergwerks entleert wurde.
Schweigend füllte Raven den nächsten Holzeimer mit Pfützenwasser. Inzwischen
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