Rabenmond - Der magische Bund
an. Ihr Blick durchbohrte ihn.
»Geht«, befahl sie den Beratern. Die Drachen zogen sich zurück; Scarabah blieb mit gefalteten Händen neben Lyrian stehen. Die Türen schlossen sich. Der Regen prasselte dumpf gegen die Fenster.
»Du wirst nach Kossum gehen«, sagte die Kaiserin. »Genauer in die Oststadt Iwyndell. Wir dürfen Iwyndell nicht auch noch an die Revolution verlieren, sonst sind die Handelswege endgültig abgeschnitten. Die Bürger müssen an die Allgegenwart des Kaisertums erinnert werden. Du wirst nicht kämpfen müssen, deine Anwesenheit hat einen repräsentativen Zweck. Dir stehen ausreichend Leibdiener und die Hochburg Iwyndells zur Verfügung. Nächste Woche brecht ihr auf, zwei Monate bleibt ihr. Hast du Fragen?«
Lyrian starrte seine Mutter an. Faunia. Zwei Monate … und die Hin- und Rückreise allein würde schon einen Monat dauern. Ein Vierteljahr getrennt von ihr? Er biss die Zähne zusammen.
»Also ist das geklärt«, schloss die Kaiserin und wandte sich an Scarabah. Lyrian spürte, wie sie sich neben ihm reckte.
»Scarabah hat sich freiwillig für die Front gemeldet. Wäre sie keine so überaus begabte Kämpferin, würde ich ihren Mut für Torheit halten. Ein Drache in seinem ersten Verwandlungsjahr, das ist wirklich eine Seltenheit.« Eine Weile musterte sie sie zufrieden. »Wenn Scarabah sich im Krieg beweist, wird sie deine Gemahlin.«
Lyrian erstarrte. Die Augen seiner Mutter waren tief und leer.
»Du kannst gehen«, sagte sie schließlich. Lyrian wusste nicht, ob sie ihn oder Scarabah meinte, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
Scarabahs Stimme bebte. »Euer Majestät... danke. Danke! Ich schwöre, dass ich Euch nicht enttäuschen werde!« Sie fiel vor ihr auf die Knie und küsste ihre Hand.
Die Kaiserin sah Lyrian an. Endlich stand Scarabah auf und zog sich zurück.
Lyrian spürte, wie ein hartes Lächeln in ihm aufstieg. Seine Mutter drehte sich um und trat vor die Fenster. Erst jetzt sah er, dass sie tief durchatmete. »Ihr seid beide noch sehr jung. Sechzehn. Du bist jetzt sechzehn...«
Er hörte sie langsam und zittrig Luft holen, trotz des Regentrommelns. Doch als sie sich nach einer Weile wieder umwandte, war ihr Ausdruck so versteinert wie eh und je.
»Aber ich denke, Scarabah wird einen guten Einfluss auf dich haben. Sie ist ein außerordentlich starker Drache.« Sie blickte beinahe hilfesuchend durch den Raum. »Wenn du nur... du bist so verträumt. Du musst begreifen, was es bedeutet, Kaiser zu sein, Lyrian! Du bist kein Kind mehr.«
Steif kam Lyrian näher. Das prachtvolle Kleid und all der Schmuck hatten in diesem Moment ihre Wirkung verloren. Er war größer als sie, überragte sie um ein ganzes Stück.
»Ihr habt recht«, sagte er leise. »Ich bin kein Kind mehr. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen.« Seine Mutter starrte ihm in die Augen. Dann drehte er sich um und verließ das Zimmer, den Gang, den Palastteil. Erst als er bereits mehrere Minuten gegangen war, begann er zu rennen.
Ende
B altibb ließ sich auf den Boden sinken und zog die Knie eng an den Körper. Schwere Tropfen fielen auf sie herab und drückten ihre Haare platt.
Erinnerungen durchschwebten sie... Lyrian. Überall Lyrian. Er war ihr Leben.
Natürlich hatte sie die eine oder andere Nacht wach gelegen und im Stillen geseufzt und sich gefragt, was wäre, wenn ... aber wie hätte sie unzufrieden sein können? Sie hatte alles gehabt, was sie haben konnte. Ja, mehr sogar. Sie war ihm näher gewesen als eine Dienerin.
Und jetzt war dieses Gildenmädchen gekommen, entweihte alles und trat durch die unsichtbare Mauer, an die Baltibb so fest geglaubt hatte. Nun stellte sich heraus, dass diese Mauer vielleicht nie existiert hatte... oder nur für Baltibb existierte.
Sie saß ganz reglos im Wasser, während diese Gedanken vorüberglitten, heftig und wortlos.
Plötzlich sah sie ein Rudel Sphinxe durch den Wald preschen. Sie blinzelte sich den Regen aus den Augen. Was machten Sphinxe mitten in den Gärten? Schniefend wischte sie sich das Gesicht ab und kroch aus der Pagode. Die Arme um den Leib geschlungen, stapfte sie durch das Dickicht. Sie stolperte über Brombeersträucher und fiel geradewegs in eine tiefe Pfütze. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie in der Ferne noch mehr Löwen vorbeijagen. Sicherheitshalber schlug sie die andere Richtung ein. Niemand begegnete den Sphinxen gerne, erst recht nicht, wenn man nicht bei der Arbeit war.
Bald erreichte sie den Waldrand und blieb
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