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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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und hoffentlich auch nicht der Stil unserer Zukunft.“
    „Wenn Anbar so ehrlich wäre wie du, was wäre dann?“, fragte Sistra ärgerlich. „Einen Raben hätte euer ehrenhaftes Antolia schon auf dem Gewissen, wenn nicht sogar zwei.“
    „Ich weiß das“, erwiderte Hentiak, „und Anbar hat mein volles Vertrauen. Aber ich bin nicht er, ich kann mich nur innerhalb meiner Grenzen bewegen.“
    Sistra ließ sich deutlich anmerken, was sie von Hentiaks Grenzen hielt. Doch sie sagte nichts mehr, sondern vereinbarte mit ihm Verschiedenes, das ihr Exil betraf.
    „Es kann nicht lange dauern, bis Derk hier auftaucht und mich persönlich rauswirft“, sagte sie. „Amandis, du bleibst hier und erwartest ihn, während ich unsere teuren Todfeinde zum Tor bringe.“
    Nikodemia saß die ganze Zeit am Tisch und beobachtete das Gespräch mit großem Interesse. Wenn Elsa den Blick seiner schwarzen Augen richtig deutete, so bedauerte er es zutiefst, in diesen Angelegenheiten nicht mitmischen zu können, sondern einfach nur ein Rabenjunge aus dem Matrosenviertel zu sein. Ein Junge, der gelernt hatte, keine Rolle zu spielen, um unentdeckt zu bleiben. Seine Bedeutungslosigkeit ging ihm gehörig gegen den Strich.
    Hentiak verabschiedete sich so persönlich und höflich, wie er sie alle begrüßt hatte. Jetzt, da Elsa begriffen hatte, dass er Anbars Bruder war, fand sie ihn gar nicht mehr so ähnlich. Er war anders. Wenn auch sehr freundlich. Beschämend freundlich.
    Dann ging alles sehr schnell. Sie brauchten kein Essen für unterwegs, wie Nikodemia immer wieder versicherte, und Elsa konnte es bestätigen. Im Zwischenraum fand sich das Essen wie von selbst und dort würden sie die ersten Tage bleiben. Volle Taschen würden sie nur belasten. Amandis weinte, als sie sich verabschiedeten, und drückte sogar Nikodemia einen tränenreichen Abschiedskuss auf die Wange. Bis zum Tor, das auf die Straße führte, lief sie ihnen hinterher. Dann blieb sie stehen und schaute, schaute die ganze Zeit, während sie die Straße bergan gingen.
    Elsa fragte sich, ob Nikodemia überhaupt ein Tor brauchte. Waren sie nicht damals mitten im Matrosenviertel hinübergegangen in den Zwischenraum? Doch als sie das ansprechen wollte, schnitt er ihr das Wort ab. Da gab es etwas, das er nicht verraten wollte. Wahrscheinlich hing es mit Carlos zusammen. Golo begleitete die Gruppe und sprach mit den Möwen, die den Alten Friedhof bewachten. Den kurzen Wortwechseln zufolge handelte es sich um eingeweihte Möwen, die später leugnen würden, dass die Raben das Tor benutzt hatten. Sie würden auch dabei behilflich sein, alle Spuren, die sie hinterließen, unkenntlich zu machen.
    Jetzt, am hellen Tag, sah der alte Friedhof anders aus, als Elsa ihn in Erinnerung hatte. Es war ein freundlicher, weicher Ort. Das Moos, das überall über die halb versunkenen Steine wuchs, das weiche Gras, der blaue Himmel mit den halb durchsichtigen Wolken, das Sonnenlicht auf den Tannen und ein paar wenige Blätter, die der Wind übers Gras pustete – das würde das letzte sein, was sie von Sommerhalt zu sehen bekam.
    Sistra und Morawena fiel die Trennung schwer. Golo stand hilflos daneben, als Sistra mit den Tränen kämpfte und ihre Schwester kaum loslassen konnte. Morawena, die sonst so ungerührt war, zitterte bei der letzten Umarmung am ganzen Körper. Elsa schaute in eine andere Richtung und ihre Augen trafen Nikodemias. Er hob die Schultern und sie verstand. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, doch er ergab sich in sein Schicksal. Sie kannte ihn sehr gut, mittlerweile, mit all den Erinnerungen im Kopf. Tapfer und geduldig nahm er es hin, dass er sein Zuhause verlassen musste und ihn Elsas Gegenwart immer wieder einholte, wie ein Fluch. Trotz seines Hangs zur Rebellion akzeptierte er diesen Umstand widerstandslos, weil er ihn nicht ändern konnte. Zumindest nicht auf die ihm eigene, gutmütige Weise. Elsa war sehr froh, dass es ihn gab.

KAPITEL 31
     
    Elsa war noch nie jemandem begegnet, der so stolz, dickköpfig und zäh war wie Morawena. Die Vergiftung durch die Skorpione lag erst ein paar Tage zurück und Morawena war noch viel schwächer, als sie es wahrhaben wollte. Sie biss die Zähne zusammen, wurde blasser und immer blasser, schwankte gar beim Laufen, bekam aber einen Wutanfall, als Nikodemia ihretwegen eine Pause einlegen wollte.
    „Ich komme schon mit!“, zischte sie ihn an. „Wenn nicht, dann ist das nur mein Problem. Ihr könnt weitergehen.“
    Nikodemia

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