Rache - 01 - Im Herzen die Rache
bin dann so in einer Stunde wieder zu Hause.« Damit hüpfte Em auch schon die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal, und verscheuchte dabei ihr schlechtes Gewissen.
In ihrem Zimmer begutachtete sie die Klamotten, die auf ihrem Schreibtisch und dem Bett verstreut lagen, und entschloss sich dann ganz bewusst, ihre Jogginghose und den Kapuzenpulli anzulassen. Schließlich handelte es sich um einen harmlosen Besuch, oder? Bevor sie jedoch das Licht ausschaltete, ging sie rasch noch einmal zurück zu ihrer Kommode mit dem Spiegel und lehnte sich darüber, um ein kleines bisschen Wimperntusche und einen Hauch Lipgloss aufzutragen.
Auf der Fahrt zu Zach hatte Em das Gefühl, kaum atmen zu können. Die Frühlingsrollen rumorten in ihrem Magen. Trotz der beißenden Kälte öffnete sie das Fenster einen Spaltbreit, in der Hoffnung, die frische Luft würde ihr helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.
Was machte sie da eigentlich gerade?
Ach, nichts weiter. Sie war bloß am späten Heiligabend unter einem lächerlichen Vorwand auf dem Weg zum Freund ihrer besten Freundin.
Em kurbelte das Fenster noch ein bisschen weiter herunter und atmete tief durch – durch die Nase ein, durch den Mund aus, wie Gabby es ihr beigebracht hatte, nachdem sie ein paar Yoga-Stunden gehabt hatte. Sie verdrängte Gabby aus ihren Gedanken.
Ich bleibe nur ein paar Minuten, versicherte sie sich selbst und umklammerte dabei fest das Lenkrad, als wollte sie damit ihre Entschlossenheit untermauern. Ist schließlich nichts dabei, ein bisschen zu flirten. Das machen doch alle. Gabby würde mit einem Sessel flirten, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte. Die Landstraße war leer und der Mond wolkenverhangen. Sie musste das Fernlicht einschalten und konnte trotzdem nur im Schneckentempo fahren.
Kaum war sie in die Einfahrt der McCords eingebogen, sah sie Zach in einer alten, zerschlissenen Jeans und Flanellhemd auf dem Fußweg vor dem Haus stehen. Umgeben von blinkenden Lichterketten. Als sie ausstieg, drehte er sich um und lächelte sie an. Ein eisiger Windstoß fuhr direkt durch sie hindurch. Zach sah aus wie ein Model.
»Hey, da kommt ja Knecht Ruprecht!«, rief er und warf ihr das eine Ende einer Kette mit bunten Birnchen zu. »Kannst du die mal über den Zweig da am Zaun hängen?«
Als Em damit fertig war, ging sie zu einem Busch, den Zach bereits geschmückt hatte. Sie hoffte, im Lichterglanz genauso gut auszusehen wie er. In der Cosmopolitan hatte sie mal gelesen, dass bei Kerzenschein jeder gut aussieht, und Lichterketten waren ja schließlich so was Ähnliches wie Kerzen.
»Jetzt ist mir klar, wieso du mich gebraucht hast«, sagte sie und arrangierte sorgfältig die offensichtlich hastig verteilten Lichter. »Du hast eindeutig kein Händchen dafür, das Haus mit Weihnachtsdeko aufzuhübschen.«
»Hey, so übel finde ich es gar nicht, wenn man bedenkt, dass ich das alles alleine gemacht habe«, verteidigte er sich und zog dabei eine Schnute.
Em lief ein Schauer über den Rücken und sie zog ihren Mantel zurecht. »Wo ist denn deine Familie?«, erkundigte sie sich.
»Meine Mom und mein Stiefvater sind zu so einer Wohltätigkeitsveranstaltung bei einem seiner Anwaltsfreunde. Irgendwer, der ihnen dabei hilft, irgendwelche Rechte für das neue Einkaufszentrum zu kriegen oder so. Mich haben sie dazu verdonnert, in der Zwischenzeit zu Hause zu bleiben und mit meinem Algebra-Buch zu kuscheln.«
»Ich bin noch gar nicht drüben gewesen – im neuen Einkaufszentrum«, sagte Em und hätte sich in den Hintern beißen können, weil das so langweilig klang.
»Was soll’s. Mein Stiefvater redet jedenfalls davon, als wäre es das neue Empire State Building.« Zach kickte mit seiner Schuhspitze in den Schnee, das Kinn gesenkt, den Blick jedoch nach oben gerichtet, und beobachtete Em dabei, wie sie die Lichter neu aufreihte. »Ich bin mal nachts drüben gewesen, um ihnen bei der Arbeit zuzusehen, und für mich sieht es aus wie eine ziemlich normale Shopping Mall.«
»Sie arbeiten nachts?«
»Überstunden.«
»Ich wette, wir haben Frost!« Ems Hände wurden von der Kälte ganz steif und taub. Sie schaffte es kaum, die Lichter aufzuhängen; unmöglich, sich vorzustellen, bei dem Wetter ein ganzes Gebäude zu errichten.
»Ja, es ist wirklich arschkalt.« Zach sah hinauf zu einem dunklen Fenster im zweiten Stock des Hauses. »Kein Wunder, dass mein Bruder sich in den Ferien zu seiner Freundin abgesetzt hat. Sie wohnt irgendwo in Kalifornien.«
Em
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