Rache - 01 - Im Herzen die Rache
hier stand, einfach nach draußen in die Nacht blickte und den Schnee betrachtete.
»Das hast du geschrieben?« Sie erhob sich und trat hinter ihn. Ihr Geruch und ihre Nähe ließen die Härchen in seinem Nacken und auf seinen Armen in die Höhe stehen. »Für mich?«
»Ja. Es ist nichts Besonderes, weißt du«, antwortete er und kam sich auf einmal irgendwie mies vor, weil er es nicht wirklich geschrieben hatte. Immerhin hatte er das entsprechende Gefühl gehabt. »Aber ich habe dabei an dich gedacht.«
»Es ist wirklich wunderschön«, sagte Ty. Er drehte sich um und sah sie an, um sich zu vergewissern, dass sie ihm nicht nur schmeicheln wollte; und spürte plötzlich, wie ihre Lippen seine Wange streiften, nur ein paar Zentimeter vom Mund entfernt. »Danke schön«, hauchte sie.
So nah waren sie sich noch nie gewesen. Chase zitterte am ganzen Körper. Der Duft ihrer Haut, die kleinste Berührung ihres Haares auf seinem Arm – ihm wurde ganz schwindlig. In der Hoffnung auf einen richtigen Kuss auf ihre roten, leicht geöffneten Lippen wandte er ihr das Gesicht vollends zu. Doch sie war schon wieder zurückgewichen.
»Ich habe überlegt«, sagte sie. »Ob du mir wohl bei etwas helfen könntest?«
Chase hob die Augenbrauen. »Klar. Was steht an?«
»Na ja«, sie zögerte – und schien einen Moment lang peinlich berührt. »Das Haus hier …« Sie lachte verlegen und zuckte mit den Schultern. »Man kann’s einfach nicht anders sagen. Es ist inzwischen eine ziemliche Bruchbude daraus geworden. Ich hab überlegt, ob du mir vielleicht dabei helfen würdest, eins der Zimmer unten zu streichen. Ich versuche, das Ganze hier ein bisschen auf Vordermann zu bringen.«
Er verstand sofort, was los war. Sie schämte sich für das Haus. »Alles klar«, sagte er und schmunzelte.
Sie lächelte und nahm seine Hand. Und wieder überkam ihn ein seltsames Gefühl, als sie die Treppe hinunter in eins der dunklen, leeren Zimmer gingen. Ty verschwand und tauchte einen Augenblick später mit einem Haufen Zeitungen wieder auf, die sie in dem Zimmer mit dem Radio und dem Farbeimer auf dem Fußboden ausbreitete.
Sie machte die Farbe auf – ein kräftiges Rot. Ein bisschen gewagt vielleicht, aber Chase war ja auch nicht gerade der Innendekorateur in Person.
»Ich habe einen Farbroller und einen Pinsel«, sagte sie und zeigte auf ihre Ausrüstung. »Welches davon möchtest du haben?«
»Ich nehme den Roller«, antwortete er. Er fühlte sich großartig – nützlich. Sie brauchte ihn. Das war ein gutes Zeichen. Während er seine Ärmel hochkrempelte – er legte absolut keinen Wert darauf, komplett mit Farbe bespritzt zu werden –, schaltete Ty mit einem Klick das Radio an und stellte einen verrauschten Oldiesender ein. Und während sie ihren Pinsel startklar machte, summte sie leise vor sich hin.
Der erste Streifen Rot verteilte sich rasch und hell, wie Blut, das aus einer frischen Wunde schießt. Es machte Spaß. Es gefiel ihm, wie die Farbe sich auf dem schmutzigen Weiß ausbreitete. Und er wusste genau, dass seine Arme beim Hin- und Her- und Auf- und Abbewegen des Farbrollers gut aussahen. Kraftvoll.
»Waren die Wände hier schon immer weiß?«, erkundigte er sich beiläufig, obwohl er in Wirklichkeit ganz versessen auf jedes noch so kleine Stückchen Information war, das sie preisgab.
»Soweit ich weiß, schon«, antwortete Ty. »Aber Rot ist meine Lieblingsfarbe. Ich wollte schon immer von Rot umgeben sein. Was ist denn deine?«
»Meine Lieblingsfarbe?«
Ty nickte.
»Ich glaube, zu mir passen dann wohl Weinrot und Gold«, erwiderte Chase. »Unsere Mannschaftsfarben.«
»So ähnlich wie meine Farben«, stellte Ty lächelnd fest. »Was ist mit deinem Lieblingsessen?« Sie war jetzt drüben in der Ecke und pinselte sorgfältig Farbe neben das Fenster. Scheinbar wollte sie auch mehr über ihn in Erfahrung bringen.
»Chinesisch, wahrscheinlich«, antwortete Chase und fluchte leise, als ein paar Spritzer Rot auf seine Jeans kamen. »Ich steh total auf Teigtaschen mit Krebsfleisch.«
»Mmmmm«, machte Ty, und er war so davon abgelenkt, dass sie sich die Lippen leckte, dass er beinahe gar nicht merkte, dass sie schon überall auf ihrem T-Shirt rote Farbe hatte. Sie ertappte ihn dabei, wie er sie anstarrte, und blickte an sich herunter. »Uups. Ich bin ja vielleicht ein Tollpatsch.« Sie lachte und schnippte ihren Pinsel in seine Richtung. »Jetzt passen wir zusammen«, sagte sie, als ein paar rote Kleckse auf seinem
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