Rache der Königin
König anblickte, als würde er von Gottvater in seinem Paradies empfangen;
und er eilte, vor ihm niederzuknien. Ludwig hob ihn sogleich empor, faßte ihn bei den Schultern, drückte ihn an sich, und
er hätte ihn auf beide Wangen geküßt, glaube ich, wenn sie von Tränen nicht so naß gewesen wären. Und auf Richelieus leidenschaftliche
Dankesworte erwiderte er nüchtern, da er in ihm den besten und ergebensten Diener gefunden habe, sei er der Ansicht, daß es
seine Pflicht sei, ihn zu beschützen. Wenn der Kardinal es an Dankbarkeit oder Respekt gegenüber der Königinmutter hätte fehlen
lassen, würde er gewiß anders handeln. Doch sei das bei weitem nicht der Fall. Was die Königinmutter angehe, so sei sie durch
die Lügen und Machenschaften höfischer Intriganten der Kabale ausgenutzt worden. Und, was immer sie künftig auch sagen und
tun |226| werde, gegen Intrigen werde er ihn, seinen besten und ergebensten Diener, immer verteidigen. Nun, mein lieber Herzog, was
sagt Ihr dazu?«
»Daß der König Richelieu Gerechtigkeit erweist, ohne deshalb seine Mutter zu belasten. Womit er sich diplomatisch zeigt. Er
will nicht als ›schlechter Sohn‹ dastehen, weder in Frankreich noch im Ausland. Was den zweiten Akt angeht, den vertraulichen
zwischen dem König und Richelieu, so vermute ich, daß Richelieu Euch nicht ohne Grund davon erzählt hat.«
»Sicherlich nicht, mein lieber Herzog«, sagte Guron, »zu mal er mir erlaubt oder, wenn Euch das lieber ist, empfohlen hat, es Euch weiterzusagen und, ohne jede Einschränkung, auch den
Domherrn Fogacer einzuweihen, mithin den Nuntius und mithin den Papst.«
»Daran sieht man, wer den König die subtilen Umwege der Diplomatie gelehrt hat. Mein lieber Guron, ich bin ganz Ohr.«
»Nun, nachdem die Zeugen sich entfernt hatten, wiederholte Richelieu dem König, wie unendlich dankbar er Seiner Majestät sei,
daß Sie ihn vor seinen Feinden beschütze. Nachdem er das Problem aber in seinem Geist gedreht und gewendet habe, denke er,
er tue am besten daran, sich jetzt von den Geschäften zurückzuziehen. Denn auch wenn er die Königinmutter überaus ehre und
niemals die Absicht gehegt habe, ihr zu schaden, sei er sich doch klar darüber, daß sie auf immer unversöhnlich sei. Es sei
also leider vorauszusehen, daß diese Aversion ständig unlösbare Schwierigkeiten hervorrufen werde. Immer wieder würde er der
Undankbarkeit, der Tyrannei, der Willkür geziehen werden, und unter solchen Bedingungen hätte er nicht mehr die notwendige
Autorität, seine Aufgabe gut zu erfüllen. Er verehre sie unendlich, doch dürfe es nicht sein, daß er ungewollt die Ursache
andauernder Zwistigkeiten zwischen der Königinmutter und ihrem Sohn werde, darum wolle er lieber gehen und sich in der Einsamkeit
seines Landsitzes verschließen. Nun, mein lieber Herzog, was haltet Ihr von dieser schönen Auslassung?«
»Einerseits, daß sein Blick in die Zukunft alle Aussichten hat, sich zu bewahrheiten: So starrsinnig, wie die Königinmutter
ist, wird sie nicht versäumen, sich tagtäglich neu gegen ihn zu erbittern. Andererseits bietet sich dem König unter dieser
Voraussicht eine neue Wahl. Die Königinmutter hat Seiner Majestät |227| in ihrer groben und vulgären Art ein Ultimatum gestellt: entweder Richelieu oder ich. Sehr viel liebevoller und feiner, doch
allein dadurch, daß er dem König seine Demission anbietet, schlägt Richelieu Schritt für Schritt, natürlich unausgesprochen,
aber doch deutlich, die Alternative vor: Früher oder später wird Eure Majestät zwischen der Königin und mir wählen müssen.
Interessant wäre nun zu wissen, was der König geantwortet hat.«
»Seine Antwort war klug und klar. Einerseits lehnte er Richelieus Demission entschieden ab: Der Kardinal müsse das Ruder der
Geschäfte in der Hand behalten, das sei ein unwiderruflicher Befehl. Dann erklärte er, daß er seine Mutter respektiere, daß
er aber ›mehr seinem Staat als seiner Mutter verpflichtet sei‹. Schließlich sagte er – ein Satz, der mich durch seine Anspielungen
ziemlich saftig dünkte –, ›wenn die Königinmutter imstande wäre, ihm beim Regieren mit weisem Rat zu helfen, wäre er glücklich,
sich ihrer Hilfe zu bedienen. Doch leider! (ein Seufzer) leider könne sie das nicht!‹ Im übrigen, fuhr er fort, handle es
sich nicht um die Königinmutter, sondern um die höfische Kabale (ein Wort, das Ludwig nie ohne Zähneknirschen
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