Rache der Königin
fährt sie in ihren Attacken fort. Unbesonnen und kindisch in Haß und Rachsucht, verfällt sie darauf, ein Schreiben
gleichen Wassers wie jenen Brief an ihren Sohn nun auch an den Pariser Obersten Gerichtshof zu senden. Sie geht noch weiter,
sie erhebt beim Gerichtshof Klage gegen Richelieu!
Was, zum Teufel, hat sie sich dabei gedacht? Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre, auch um sie. Denn dieses schamloses
Vorgehen erbittert den König in solchem Maße, daß er persönlich vors Oberste Gericht geht, den verleumderischen Charakter
des mütterlichen Antrags klarstellt, ihn zu unterdrücken befiehlt und die Räte der Königinmutter als des höchsten Majestätsverbrechens
schuldig verklagt. Nicht nur das, er zieht sämtliche Einkünfte seiner Mutter in Frankreich ein und beschlagnahmt sie, und
sie macht zum erstenmal in ihrem Leben die demütigende Erfahrung, bestraft zu werden.
|274| Und das, schöne Leserin, ist eine weit schwerere Sanktion, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn Ludwig weiß, wie
schrankenlos seine Mutter Geld vergeudet und von jeher vergeudet hat. Denken Sie nur daran, daß es der erste Akt ihrer Regentschaft
war, den von Henri Quatre so emsig angehäuften Staatsschatz der Bastille zu plündern, und wie schnell ihr all dieses Geld
zwischen den Fingern zerrann. Von da an machte sie Schulden, für die der Staat aufkommen mußte. Trotzdem, sparen Sie sich
Ihre Tränen, schöne Leserin. Als die Königinmutter vom Louvre nach Compiègne ging und von Compiègne nach Brüssel, nahm sie
wie stets all ihr Geschmeide mit, und das waren so viele und so schwere Stücke, daß sie in einer speziellen Kutsche transportiert
werden mußten. Hätte sie in ihrem Exil ein bißchen hausgehalten und ab und zu ein Schmuckstück verkauft, hätte sie bis ans
Ende ihrer Erdentage behaglich leben können.
Was den König angeht, der sich als Kind immer wünschte, einmal ›Ludwig der Gerechte‹ zu heißen, so hat er lange überlegt,
bevor er seiner Mutter Güter und Einkünfte entzog. Was ihn schließlich zu dieser Maßnahme bewog, muß die Erinnerung an jene
Goldmillion gewesen sein, die die Königinmutter ihrem jüngsten Sohn gegeben hatte, damit er eine Armee gegen ihn sammle. Damit
stand sein Entschluß fest. Er wollte verhindern, daß französische Steuergelder ins feindliche Ausland flossen und der Königinmutter
halfen, einen neuen Bürgerkrieg im Vaterland anzuzetteln, dem sie den Rücken gekehrt hatte.«
»Eine letzte Frage, Monsieur: Was wird nun aus ihr?«
»Die Antwort auf Ihre Frage, schöne Leserin, ist nicht ganz einfach, denn sie umfaßt etliche Jahre, in denen die Königinmutter
von Flandern nach England, von England nach Holland, von Holland nach Deutschland zog. Überall wurde sie zunächst freundlich
aufgenommen, doch machte sie sich so rasch unbeliebt, daß man sie bald verabschiedete. Und weil sie bedenkenlos ausgab, hatte
sie bald keinen Schmuck mehr zu versetzen und geriet in solche Bedrängnis, daß sie in Köln von einem unbezahlten Hotelier
hinausgeworfen worden wäre, hätte Rubens ihr nicht geholfen. Zu klug übrigens, sie zu sich einzuladen, bot er ihr eins seiner
Häuser zu freier Nutzung. Er kannte die Königinmutter seit langem, bekanntlich hat er ihr |275| Leben auf vierundzwanzig Leinwänden festgehalten, die einen Flügel des Palais du Luxembourg zieren.
In Frankreich wurde zweimal die Frage erhoben, ob man ihrer Verbannung nicht ein Ende setzen und ihr die Heimkehr erlauben
solle. Das erstemal 1637 durch Pater Gaussin, der diese Frage dem König vortrug, doch der König lehnte ab. ›Sie ist vollends
spanisch geworden‹, sagte er, ›und weil sie zu starrsinnig ist, um ihre Meinung zu ändern, würde sie nur wieder Unruhen stiften.‹
Als der König 1639 von seinem Beichtvater erneut bedrängt wurde, befragte er seine Minister in schriftlicher Form über die
Rückkehr der Königinmutter. Sie befanden einstimmig, daß diese nicht wünschenswert sei. Die Königinmutter starb am dritten
Juli 1642 in dem Haus von Rubens. Sie lebte sehr einsam dort, Rubens war vor ihr gestorben, und ihre Räte hatten sich längst
davongemacht wie Ratten von einem sinkenden Schiff.«
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|276| FÜNFZEHNTES KAPITEL
Nachdem die Königinmutter sich selbst aus Frankreich verbannt hatte und die von ihr angestiftete Kabale zerstreut und zerschlagen
war, wollte Ludwig urbi et orbi zeigen, in wie hoher Wertschätzung er
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