Rache der Königin
gewährte also Montmorency alle Gnaden, die er konnte, sogar die, von Henkershand nicht berührt zu werden.«
»Und warum?«
»Der Henker, Leser, galt als schimpfliche Person, und die bloße Tatsache, von ihm berührt worden zu sein, war entehrend. Und
es gibt noch eine Besonderheit, auf die ich hier hinweisen will. Ohne daß man dies im mindesten beabsichtigte, war die Tatsache,
in Toulouse geköpft zu werden, bei allem Unglück eine Art Privileg, denn das Hinrichtungsverfahren war so sicher, daß es die
Möglichkeit ausschloß, daß der Henker den ersten Schlag verfehlte und zum großen Leiden und Qual des Delinquenten zwei- oder
gar dreimal zuschlagen mußte. Das nämlich war zum Entsetzen der Anwesenden dem armen Marschall von Marillac einige Monate
zuvor geschehen. In Toulouse bewegt sich das Beil innerhalb zweier Pfosten, die mit Schienen versehen sind. 1 Der Kopf des Verurteilten wird zwischen diese hölzernen Pfosten gelegt, der Henker braucht nur die Sperre zu lösen, die das Beil in einem Klafter Höhe festhält,
und dieses saust in den Schienen mit Blitzesschnelle hernieder, seine Schnelligkeit und sein Gewicht geben ihm eine solche
Wucht, daß es mit einem Schlag den Kopf vom Rumpf trennt.
Mir hämmerte das Herz, als Montmorency, von seinem Beichtiger begleitet, ein Kruzifix in Händen und in seinem weißen Gewand,
im Hof des Capitols erschien. Wie er durch die hohe Tür heraustrat, blieb er stehen und sah zur Statue Henri Quatres auf.
›Was schaut Ihr, Monseigneur?‹ fragte ihn der Priester.
›Ich schaue auf das Bildnis des großen Königs, dessen Patenkind zu sein ich die Ehre hatte. Ich erinnere mich seiner als eines
sehr guten und großmütigen Fürsten.‹
War es eine verschleierte Kritik an der Strenge, die der Sohn dieses großen Königs gegen ihn anwandte? Ich weiß es nicht.
Wäre das der Fall gewesen, hätte Montmorency inzwischen vergessen, daß Güte und Großmut Henri Quatre nicht abhielten, einen
seiner besten Leutnants, den Marschall von Biron, zum Tode zu verurteilen, ebenfalls wegen Hochverrats.
Leichtfüßig stieg Montmorency die Stufen zum Schafott |313| hinauf, und als er vor dem Henker stand, sagte er, der solle ihn nicht berühren. Worauf der Henker mit allem Respekt erwiderte,
daß er es aber müsse, seine Haare seien zu lang für das Beil. Da ließ Montmorency ihn den Schnitt ausführen, verband sich
selbst die Augen, hatte aber Schwierigkeiten, seinen Kopf auf den Block zu legen. Damit diese Schwierigkeiten nicht für Feigheit
gehalten würden, sagte er laut, sein Hals trage noch mehrere Wunden von Castelnaudary, darum sei es schwer, ihn richtig zu
legen. Dann ermahnte er den Henker achtzuhaben, daß sein Kopf nicht vom Schafott zu Boden rolle, und als er endlich eine bequeme
Lage gefunden hatte, sagte er mit starker Stimme: ›Schlag getrost zu.‹ Und hinzu setzte er: ›Herr Jesus, nimm meine Seele
gnädig auf.‹
Das Beil sauste nieder, und das Blut spritzte so hoch, daß es die Statue von Henri Quatre befleckte.«
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|314| SIEBZEHNTES KAPITEL
Zu Catherines neuerlichem Unmut schickte mich der König mit Fogacer im November 1632 nach Bordeaux, um dort Richelieu, Anna
von Österreich und die Chevreuse zu treffen, die von Brouage zurückkehrten, denn Seine Eminenz hatte der Königin dort voller
Stolz den Hafen gezeigt, den er aus einem bescheidenen Fischerort geschaffen und zu Lande mit Befestigungsbauten umgeben hatte.
Es war tatsächlich ein bemerkenswertes Werk, doch Sie mögen sich vorstellen, Leser, wie groß das Interesse unserer kleinen
Königin daran war.
Leider erkrankte Richelieu auf der Rückreise nach Bordeaux, und die bösen Zungen am Hof spotteten, er habe die Gesellschaft
zweier Frauen nicht eine Woche ertragen können. Der König, der die Nachricht sogleich erfuhr, schickte, wie gesagt, Fogacer
und mich aus, den Mediziner Fogacer, damit er den Minister heile, und mich, um zu verhindern, daß die Entourage der Königin
sich Richelieus Schwäche zunutze machte, um ihm zu schaden.
Fogacer besuchte Richelieu und verhehlte mir nicht, daß es ihm ziemlich schlecht gehe. Er hatte einen Abszeß an der Afterpforte,
dem die Ärzte mit Diät, Aderlaß und Purgationen beizukommen suchten. Auf Fogacers Rat beendete Richelieu die sinnlose Behandlung
und ließ sich von einem guten Wundarzt operieren, der den Abszeß öffnete. Zwei Tage später war der Kardinal, gottlob, wieder
wohlauf, nur noch
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