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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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geschwächt von der durchstandenen Diät. Aber wie einst die Köchin Malicou zu meinem Vater sagte: »Hunger
     ist eine Krankheit, die schnell geheilt ist, wenn man Brot im Kasten hat.«
    Ich war in Bordeaux Gast im Haus des Gouverneurs, und kaum war Richelieu wieder auf dem Posten, erhielt ich Besuch von einem
     Frauenzimmer, das nur mit Mühe zu mir gelangte, so streng achtete man in Bordeaux auf Erscheinung und Manieren von Zugereisten.
     Man muß allerdings zugeben, daß die Zocoli mit ihrer grellen Schminke, ihrem großzügigen Dekolleté, ihren |315| gewagten Hüftschwüngen und ihrem hohen, überschleunigen Pariser Mundwerk einem Provinzler einiges Unbehagen einflößen konnte.
    Monsieur de La Rousselle, der Majordomus des Gouverneurs von Bordeaux, ließ mich deshalb fragen, ob ich die Person kenne und
     ob ich sie zu empfangen wünsche. Natürlich bejahte ich es, eilte aber stehenden Fußes in meinen kleinen Salon zurück und überließ
     es Nicolas, meine Besucherin hereinzuführen. Denn stellen Sie sich vor, Leser, was Monsieur de La Rousselle gedacht hätte,
     wenn er hätte mit ansehen müssen, wie die Zocoli mir an den Hals fliegt und mich wie ein Schlänglein umwindet. Was sie freilich
     tat, aber später, nicht vor seinen Augen. Und weil ich wußte, daß nur eins auf der Welt die Zocoli wenigstens zeitweise von
     ihrem unersättlichen Appetit auf das starke Geschlecht abzulenken vermochte, ließ ich ihr sogleich Wein und Leckereien servieren,
     denen sie auch mit aller Lust zusprach.
    »Kind«, fragte ich schließlich, »wie kommst du hierher?«
    »Monseigneur, ich bin jetzt Zofe bei der Herzogin von Chevreuse, und weil sie mit der Königin Anna intim ist …«
    »Intim?«
    »Intimst. Sie folgt ihr auf Schritt und Tritt, also waren wir mit dem Kardinal in Brouage und sind jetzt wieder in Bordeaux.
     Aber die Bordelaiser sind ja fürchterlich.«
    »Wieso? Es sind doch sehr gute, ehrenwerte und fleißige Leute.«
    »Kann sein, Monseigneur, aber ich finde sie kalt wie Gurken. Da suche ich in der ganzen Stadt den Domherrn Fogacer, und überall
     stoße ich bei den Bordelaisern auf Abscheu und werde weggeschickt.«
    »Du suchst den Domherrn Fogacer?«
    »Ihr wißt schon, warum«, sagte sie augenzwinkernd.
    »Ich verstehe, aber dort, wo er wohnt, läßt man dich sicher nicht ein.«
    »Wo wohnt er denn?«
    »Im Palast des Bischofs.«
    »Zum Teufel!« rief sie und warf die Arme hoch. »Es wird ja immer schlimmer!«
    »Bitte, Kind, laß den Teufel aus, wenn du vom Bischof sprichst! Aber du hast Glück, der Domherr Fogacer speist heute zu Mittag
     bei mir. Soll ich dir auch ein Gedeck bringen lassen?«
    |316| »Mit Freuden, Monseigneur.«
    Es klopfte, doch nur leise, Nicolas hatte Scheu gehabt, unser Gespräch zu unterbrechen, und als er eintrat, warf er der Zocoli
     einen zugleich verstohlenen und begehrlichen Blick zu.
    »Monseigneur«, meldete er, »Monsieur de La Rousselle ist noch einmal hier. Er fragt, ob Ihr den Herrn Marschall von Schomberg
     kennt, der ebenfalls im Palast wohnt. Wenn ja, meint er, würdet Ihr ihn vielleicht gern besuchen. Es geht ihm sehr schlecht.«
    Ganz aufgeregt, eilte ich und fand meinen armen Freund totenbleich, um Atem ringend und mit geschlossenen Augen auf seinem
     Lager. Als ich seine Hand faßte, hob er kurz die Lider, es war, als wolle er etwas sagen, aber er konnte nicht. Er röchelte
     immer mehr, und nach wenigen Minuten war es mit ihm vorbei. Alle Anwesenden fielen auf die Knie, oft in Tränen, die man bei
     alten Offizieren nicht erwartet hätte, und begannen laut zu beten.
    Bei allen gesellte sich zum Kummer die Bestürzung, so stark in sich gegründet war uns Schomberg immer erschienen, so voller
     Lebenskraft, als könne sie sich niemals erschöpfen. Nie hatte er im Feld, wie andere, an Erkältungen, Halsentzündungen, Reißen,
     Magenverstimmungen oder Darmkrankheiten gelitten. Er schien von den Göttern so begünstigt, daß man ihn für unverwüstlich hielt.
    Fogacer flüsterte mir zu, daß er am Morgen noch all seine Pflichten erfüllt habe wie gewohnt, fröhlich habe er sein Mittagsmahl
     eingenommen, und plötzlich, als er sich vom Tisch erhob, sei er zu Boden gestürzt, blaß, keines Wortes mehr mächtig. »Man
     holte mich«, fuhr er fort, »aber er war schon im Sterben, und weil er nicht mehr beichten konnte, gab ich ihm die Letzte Ölung.
     Aber was hätte dieser Mann auch zu bekennen gehabt, der in dieser verderbten Welt aller Tugenden voll war?«
    Da

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