Rache der Königin
ehrtet, zu überbringen und Euch zu sagen, daß er mit sichtlichem Mißvergnügen stirbt,
Euch gekränkt zu haben, so daß er, weit entfernt, den Tod zu beklagen, zu dem er verurteilt wurde, ihn zu milde findet für
das von ihm begangene Verbrechen.‹«
»Mein Freund«, sagte Catherine, »was für ein Jammer, daß er dieses ›sichtliche Mißvergnügen‹ nicht früher verspürt hat. Aber
wer ist dieser Monsieur de Charlus? Ich höre seinen Namen zum erstenmal.«
»Ein Edelmann mit gutem Herzen und boshafter Zunge. In diesem Moment aber war Monsieur de Charlus alles andere als boshaft,
sondern von tiefem Mitgefühl bewegt. Tränen rannen ihm über die Wangen, und immer noch auf Knien vor Seiner Majestät, küßte
er ihm die Füße und bat ihn, die Exekution des Herzogs von Montmorency auszusetzen. Hierauf fielen auch alle anwesenden Höflinge
aufs Knie und flehten einstimmig um Gnade für den Verurteilten.«
»Und der König?«
»Er hob die Hand. Schweigen trat ein. Und mit ebenfalls von Kummer verzerrtem Gesicht, doch ohne Tränen, sprach Ludwig Worte,
die mich durch ihre Strenge erschreckten. ›Nein, meine Herren‹, sagte er, ›es gibt keine Gnade. Montmorency muß sterben. Man
darf sich nicht grämen, wenn ein Mensch sterben muß, der es so sehr verdient hat. Man darf nur beklagen, daß er durch seine
Schuld in so tiefes Unglück gefallen ist.‹ Was sagt Ihr dazu, meine Liebe?«
»Daß der König ihn ebensogut in die Bastille hätte sperren können wie Bassompierre.«
»Nein, nein! Die beiden Fälle liegen sehr verschieden. Bassompierre ist kein großer Feudalherr und Herzog mit illustrem Namen
wie Montmorency. Bassompierre ist Soldat, und ein guter Soldat. Er hat sich zu einem Komplott gegen den Kardinal verleiten
lassen, als der König krank in Lyon lag. Das ist kein höchstes Majestätsverbrechen. Er hat intrigiert, aber er hat nicht die
Waffen gegen seinen König erhoben. Aus Montmorencys Todesurteil hingegen spricht die ernste Sorge über Gastons neue Strategie.
Als Gaston Orléans befestigte, hat er vier Herzöge zum Abfall und zum Kampf gegen den König bewogen. Und weil es nicht zum
Kampf kam, war Verbannung ihr Los. Im Fall Castelnaudary konnte Gaston zwei der höchsten |311| Herzöge auf seine Seite ziehen, Guise und Montmorency. Guise floh rechtzeitig ins Ausland, aber Montmorency hat gekämpft,
und der König hat an ihm ein Exempel statuiert, das den anderen Herzögen eine energische Warnung sein soll, künftighin nicht
auf Sirenengesänge zu hören. Stellt Euch vor, meine Liebe, wenn sich im Reich fünf, sechs Herzöge und Provinzgouverneure gleichzeitig
gegen ihren Herrscher erheben! Wäre das nicht die Gelegenheit, von dem die Spanier, Lothringer und Kaiserlichen träumen, um
unsere Grenzen zu überschreiten und in unser Land einzufallen?«
***
»Leser, die Frau Herzogin von Orbieu will von der Hinrichtung Montmorencys nichts hören, aus Angst, daß es sie zu sehr aufwühlt.
Darf ich darum dich um Gehör bitten für meinen Bericht? Immerhin weiß ich interessante Einzelheiten, die ich dir doch nicht
vorenthalten möchte.«
»Monsieur! Ich staune! Wie? Ich traue meinen Ohren nicht. Sie schließen Ihre schöne Leserin zum erstenmal vom Gespräch aus?«
»Ich schließe sie nicht aus, ich will nur nicht, daß auch sie in Tränen zerfließt. Zunächst müssen Sie wissen, daß ein Herzog,
der zum Tod verurteilt ist, selbst dann noch einige Privilegien genießt. In Toulouse ist es Brauch, daß die Hinrichtung zwei
Stunden nach dem Urteilsspruch vollstreckt wird. Man gewährte Montmorency einen ganzen Tag, mit seinem Gewissen ins reine
zu kommen. Er erhielt die Erlaubnis, Briefe zu schreiben, und er schrieb drei. Aus Gründen, die ich nicht kenne, ließ der
König aber nur einen davon passieren, den an seine Frau Gemahlin. Weiter sollte die Hinrichtung laut Urteilsspruch öffentlich,
auf der Place du Salin, stattfinden. Der König befahl, daß sie ohne das Volk statthabe, im Hof des Capitols, und daß nur der
Profoß mit seinen Wachmannschaften, die Capitouls und nicht zuletzt der Nuntius Bagni zugegen seien, den ich als Dolmetscher
begleitete und der dem Papst einen wahren Bericht der Hinrichtung geben sollte. Denn weil abzusehen war, daß die Schreiberlinge
in Gastons Sold nicht verfehlen würden, Falschmeldungen und Niederträchtigkeiten über das Ereignis auszustreuen, wollte der
König diese im voraus dementieren.
|312| Ludwig
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