Rache der Königin
nicht auch ein bißchen anrührend?«
»Aber warum weiß?«
»Ich denke, Montmorency wollte, wenn er seine irdische Strafe abgebüßt hatte, im Kleid der Unschuld vor Gott erscheinen.«
»Und was wurde aus seinem riesigen Besitz?«
»Kurz vor der Verurteilung erfuhr er, daß seine Güter auf Befehl |308| des Königs konfisziert werden sollten. 1 Er schrieb an den König und bat, über gewisse Möbel verfügen zu dürfen. Der König stimmte zu. Und Montmorency vermachte Richelieu einen kleinen
Salon, dessen Hauptstück ein Gemälde von Caracci war, das den Tod des heiligen Sebastian darstellt. Dies war keine
captatio benevolentiae
2 noch eine Bitte um Gnade, er wollte einfach wiedergutmachen, daß er dem Kardinal das Gemälde unfreundlich verweigert hatte, als der ihn einmal darum bat.«
Hier unterbrach Catherine unvermittelt meine Erzählung und wollte wissen, bei wem ich in Toulouse gewohnte habe.
»Bei Graf de la Haute-Frau, dem Gouverneur der Stadt. Allerdings sah ich ihn nicht oft, er war sehr beschäftigt.«
»War er verheiratet?«
»Ja, und seine Frau Françoise ist, Gott sei Dank, die beste Wirtin, zu allen gut und herzlich, zu ihren Kindern wie auch zu
ihren sehr geliebten Enkelkindern.«
»Und wie sah sie aus?«
»Blond, blaue Augen.«
»Und die Figur?«
Da haben wir’s! dachte ich und fühlte mich im stillen mächtig gekitzelt.
»Schön rund.«
»Und natürlich hattet Ihr sie sehr gern.«
»Natürlich hatte ich sie sehr gern.«
Schon hörte ich etliche Schlänglein um mein armes Haupt zischen, doch ehe sie mich beißen konnten, sagte ich lieber rasch
die Wahrheit.
»Mein Lieb, was habt Ihr dagegen? Ist es nicht selbstverständlich, daß ein Bruder seine Schwester zärtlich liebt?«
»Was sagt Ihr da? Madame de la Haute-Frau ist Eure Schwester? Aber Ihr habt nie von ihr gesprochen!«
»Doch, doch. Als ich meine beiden Brüder in Nantes besuchte, habe ich Euch gesagt, daß ich in Frankreichs Süden zwei Schwestern
habe, die beide gut verheiratet sind.«
»Und Eure andere Schwester?«
»Sie heißt Elisabeth, ist sehr elegant, geistreich und führt alles, was sie tut, aufs beste.«
|309| »Und liebt Ihr sie so wie Françoise?«
»Genauso, nur hatten wir, aufgrund unserer Charaktere, früher allerlei Streitigkeiten.«
»Ihr müßt ja auch zugeben, mein Herr Gemahl, daß Ihr kein einfacher Charakter seid.«
»Madame, nur Heilige haben einen einfachen Charakter, und das ist kein besonderes Verdienst, denn sie sind unvermählt.«
Worauf Catherine lachte, was mich sehr erleichterte, denn sie hätte mir die kleine Spitze ja auch übelnehmen können.
»Zurück zu unserer traurigen Geschichte«, sagte sie.
»Traurig war sie wahrhaftig, meine Liebe, denn das höchste Majestätsverbrechen lag klar am Tage. Die Geständnisse des Angeklagten
bestätigten es voll. Es gab keinerlei mildernde Umstände. Am dreißigsten Oktober 1632 wurde der Herzog von Montmorency von
den Capitouls zur Enthauptung auf der Place du Salin verurteilt. Einem Brauch von Toulouse gemäß, wurde das Urteil zweimal
verlesen, das erstemal im Gerichtssaal, das zweitemal in der Kapelle des Capitols.
›Meine Herren‹, erklärte Montmorency mit großer Höflichkeit, ›ich danke Euch und Eurer ganzen Körperschaft, der ich auszurichten
bitte, daß ich dieses Urteil der königlichen Justiz als einen Spruch der göttlichen Barmherzigkeit betrachte. Bittet Gott,
daß er mir die Gnade erweise, die Hinrichtung christlich zu erleiden.‹«
»Die Worte klingen gewiß höflich«, meinte Catherine, »aber auch widersprüchlich. Wie kann man ein Todesurteil als Spruch der
göttlichen Barmherzigkeit bezeichnen? Göttliche Barmherzigkeit drückt sich nicht aus durch das Beil.«
»Vielleicht war Montmorency durch das gerade vernommene Urteil denn doch verstört. Inzwischen hörte es auch der König im erzbischöflichen
Palast, in Gegenwart von etwa dreißig Höflingen, die angstbeklommen vernahmen, daß ein hoher Herr wie Montmorency durch das
Henkersbeil sterben sollte wie der letzte Mörder.
Vielleicht um den Anwesenden Schweigen zu gebieten, begann der König mit Monsieur de Guron eine Partie Schach zu spielen.
Und große Stille herrschte im Gemach, als es an der Tür klopfte. Monsieur de Charlus trat ein, fiel nicht ohne Pomp vor dem
König aufs Knie und sagte: ›Sire, ich komme vom Herzog von Montmorency, um Euch sein Kollier des Heilig-Geist-Ordens |310| und seinen Marschallstab, mit dem Ihr ihn
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