Rache der Königin
Eurer würdiges Avancement anzuerkennen.«
»Wer soll dem werten Herrn denn glauben?« versetzte Toiras nicht eben respektvoll. »Ihr werdet sehen, er wartet, bis ich tot
bin, um mich postum zum Marschall zu ernennen. Ich kenne ihn besser als Ihr! Er verträgt meine Art nicht«, sagte er. »Die
grätzt ihn. Und wenn er grätzig ist, obwohl er im Grunde ein gutes Herz hat, wird er mißtrauisch, boshaft und rachsüchtig.
Ich glaube, er ist als Kind von seiner Mutter sehr schäbig behandelt worden. Und wenn er jetzt glaubt, man lasse es an etwas
gegen ihn fehlen, fühlt er sich gekränkt und trägt es einem ewig nach. So ist er eben! Wahrhaftig, nicht daß ich Richelieu
sonderlich liebte, aber es gibt Tage, an denen er mir leid tut, |61| daß er Ludwig von früh bis spät ertragen muß! Und glaubt mir, es war kein Zuckerschlecken, sein Favorit zu sein. Er wollte
mich unbedingt bessern. Von morgens bis abends nichts wie Gemecker und Vorhaltungen. Aber was ist an meiner Art denn so Verwerfliches?
Was meint Ihr, Herzog? Sprecht ganz offen.«
Teufel auch! Offen zu Toiras? Wie sollte man ihm auch nur den Anfang vom Anfang der Wahrheit sagen?
»Mein Freund«, sagte ich schließlich, »Ich sehe nichts Verwerfliches an Euch. Ihr seid lauter wie Gold. Nur, wer in dem Maße
lauter ist, ist schwerlich zugleich auch diplomatisch.«
Herr im Himmel! Was hatte ich gesagt?
»Ich und nicht diplomatisch?« brüllte er. »Das ist der Gipfel!«
Zum Glück meldete just in dem Moment der Majordomus von Madame de Chamont, ein gewisser Charpentier, angeblich Sekretär des
Kardinals von Richelieu, wolle mich trotz der späten Stunde sprechen.
»Laßt eintreten!« sagte ich rasch.
Und als Toiras sich zurückziehen wollte, bat ich ihn zu bleiben. Die Botschaft betreffe ihn.
Charpentier trat also herein, grüßte tief ergeben und verkündete, indem er mich anblickte, mit einer gewissen Feierlichkeit,
die Antwort Seiner Majestät, Monsieur de Toiras betreffend, laute »ja«.
»Und was heißt dieses ›Ja‹?« fragte Toiras kämpferisch.
»Davon, mein Freund«, sagte ich, »weiß Monsieur Charpentier nichts, das muß ich Euch schon erklären.«
Und während Charpentier seine Kratzfüße machte, um wieder fortzukommen, kochte Toiras vor Ungeduld.
»Mein Freund«, sagte ich, »faßt Euch bitte in Geduld, und hört mir zu. Der König denkt Casale zu nehmen, denn Don Gonzalo
wird sich mit einer so großen Armee nicht anlegen wollen. Er denkt aber auch, daß der Spanier, sobald die königliche Armee
Italien verlassen hat, die Belagerung erneuern wird, und diesmal unter General Spinola, dessen außerordentlicher Ruhm seit
der Übergabe von Breda Euch bekannt sein wird. Und deswegen will der König vor dem Rückmarsch Euch als Verteidiger der Stadt
in ihren Mauern wissen, um dem Primus der Belagerer voll Siegeszuversicht den Primus der Belagerten entgegenzustellen.«
|62| »Hat das der König gesagt?« fragte Toiras, plötzlich in Tränen.
»Ja«, sagte ich, »das hat er gesagt.«
Lieber Gott! dachte ich, verzeih die Lüge.
»Und was bedeutet das ›Ja‹ von Charpentier?« fragte Toiras.
»Wenn Ihr ein Jahr, Tag um Tag, durchhaltet in Casale, will der König in der Euch bekannten Weise Euch seine Dankbarkeit
bekunden.«
Da ging mit Toiras eine wundersame Verwandlung vor, man könnte sagen, er wurde ein anderer Mensch. Er stand auf, reckte Schultern
und Rückgrat und hob das Haupt.
»Mein lieber Herzog«, sagte er in seinem schneidigsten Ton, »beliebt Seiner Majestät zu sagen: Sowie Sie Casale einnimmt,
bin ich zur Stelle. Und dort bin ich auch noch nach einem Jahr. Nicht eine Zehenspitze wird Spinola in die Stadt setzen! Und
wo er glauben sollte, mich mit Vorteil anzugreifen, kriegt er einen Arschtritt.«
***
Von Grenoble nach Briançon sind es neunundzwanzig Meilen, die uns, bei unserem Tagespensum von fünf Meilen, in guter Jahreszeit
nicht allzu schwergefallen wären, doch der Winter war sehr kalt an diesem Februarende, und der Schnee gefror immer aufs neue.
Wenn er stellenweise taute, sank man knietief ein, was den Pferden so zu schaffen machte, daß die Reiter absteigen und sie
am Zügel führen mußten, damit sie überhaupt vorwärts gingen. Außerdem stieg unsere Straße immer steiler an (der Lautaret-Paß,
den wir zwischen Le Grave und Le Monetier überschritten, liegt eintausendneunundvierzig Klafter 1 hoch), und alle Flachländer unter uns hatten große Mühe, in dieser Höhe
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