Rache der Königin
bestimmten
Gelegenheiten mit größter Sorgfalt ausgewählte Geschenke machte. »Kleine Sachen« nannte Ludwig seine Gaben, und es waren wohl
auch keine Kostbarkeiten, war es um seinen Beutel doch höchst kärglich bestellt, während seine Mutter zur selben Zeit ihre
Günstlinge mit Gold überschüttete.
Wenn der Leser mir noch eine Abschweifung erlaubt, will ich ihm in Erinnerung rufen, welch furchtbaren Schmerz Ludwig mit
fünfzehn Jahren erlebte, als er auf einer Insel in der Bidassoa, dem Grenzfluß zwischen Frankreich und Spanien, von |65| Elisabeth scheiden mußte – die mit dreizehn Jahren den Prinzen von Asturien heiraten sollte – und zum Tausch von den Spaniern
seine künftige Gemahlin Anna von Österreich erhielt. Mein Gott, wie unwillkommen diese dem Herzen des Königs war, als sie
neben ihm den Platz der geliebten Schwester einnahm! Wie verzweifelt hatte er sie beim Abschied umschlungen, hatte, schluchzend,
schreiend, in Tränen zerflossen, ihr Gesicht mit Küssen bedeckt, schmerzvoller, als wenn sie gestorben wäre, denn die Ärmste
lebte ja, doch ohne daß die Geschwister sich jemals wiedersehen konnten, außer er wäre an der Spitze eines siegreichen Heeres
in Spanien einmarschiert.
Nun, Leser, und auf ebenden Punkt wollte ich kommen. Bestimmt war Ludwig zu gewissenhaft und sich seiner königlichen Pflichten
zu stark bewußt, um die machtvolle Italienarmee mit dem einzigen Ziel zu versammeln, eine familiäre Sehnsucht zu befriedigen.
Und dennoch übersah er nicht, daß der siegreiche Einmarsch in Susa für ihn persönlich eine ganz besondere Freude bedeuten
würde: das Wiedersehen mit seiner jüngsten Schwester.
***
Nach dem Besuch des Fürsten von Piemont zu Briançon beschlossen Ludwig und der Kardinal, die sich durch ebenso langwierige
wie leere Verhandlungen nicht an der Nase herumführen lassen wollten, die Grenze zwischen Frankreich und Savoyen zu überschreiten.
Doch obwohl es nur zehn Meilen bis Susa waren, eine Entfernung, die man in zwei, drei Tagen bewältigt hätte, wollten sie vorerst
in dem Dorf Oulx abwarten, ob ihr Vordringen auf savoyardisches Gebiet den Herzog Karl Emmanuel nicht zum Einlenken bringen
würde. Und wirklich, kaum war die königliche Armee in Oulx einquartiert, als ein Reiter erschien und Seiner Majestät den Grafen
meldete, den Gesandten des Herzogs von Savoyen. Der Graf von Verrua machte zuerst auch den besten Eindruck, war er doch ein
schöner Edelmann mit sehr gewandter Zunge und besten Manieren, ein Musterbild jener
gentilezza
, die dem italienischen Volk in ganz Europa einen so guten Ruf einträgt.
Bald aber zeigte sich, daß
il bel conte
1 auch nur dieselben |66| unannehmbaren Bedingungen zu bieten hatte wie bereits der Fürst von Piemont und daß auch er die Anweisung hatte,
di trattare, ma di concludere nulla.
So verabschiedete man ihn denn mit höflichen Worten und Geschenken.
Hierauf erhielten wir durch einen Spion, den der Kardinal noch vor Beginn des Feldzugs nach Susa geschickt hatte, eine aufschlußreiche
Nachricht: Don Gonzalo de Córdoba, der Casale belagerte, hatte dem Herzog von Savoyen eine Armee von achttausend Mann zur
Verstärkung gegen die Franzosen versprochen. So trügerisch dieses Versprechen auch war – denn in dem Fall hätte Don Gonzalo
für die Belagerung Casales ja nur noch zweitausend Soldaten übriggehabt –, schmeichelte es dem Herzog von Savoyen doch mit
falschen Hoffnungen, weshalb er uns gegenüber auf Zeit spielte.
Il bel conte
hatte unser Lager kaum verlassen (nicht ohne die Größe unserer Armee mit wachem Auge ausgespäht zu haben), als der Kardinal
mich quasi bei Morgengrauen durch einen Musketier in das höchst bescheidene Logis bitten ließ, das er in Oulx bewohnte.
So mißvergnügt ich auch war, bei solcher Kälte so früh aufstehen zu müssen, beeilte ich mich doch und fand Richelieu bereits
beim Studium einer italienischen Grammatik, der er sich trotz seiner gewaltigen täglichen Arbeit allmorgendlich ein wenig
widmete, um seine Kenntnisse aufzufrischen.
»Mein Cousin«, sagte der Kardinal, »der König möchte Euch eine Gesandtschaft nach Susa anvertrauen. Ludwig ist die Hinhaltetaktik
des Herzogs von Savoyen leid. Er will«, und hier wechselte der Kardinal kokett ins Italienische,
» contrap
porre
astucia ad astucia
1 und dem Herzog ebenso zum Schein Verhandlungen anbieten, während Ihr an Ort und Stelle beobachten sollt, wie es mit den Barrikaden vor Susa
Weitere Kostenlose Bücher