Rache der Königin
vergebens auch Bérulle gewarnt! Man kann doch Richelieu nicht öffentlich zertreten, wenn
er ruhmbedeckt aus dem Languedoc heimkehrt!‹
›Und trotzdem‹, sagt Madame, ihren großen Zorn wiederkäuend, ›hat der Schurke mir zu schreiben gewagt!‹
›Geschrieben hat er Euch?‹ fragt Marillac verdutzt. ›Ma dame , wollt Ihr gnädigst erlauben, daß ich den Brief lese?‹
›Che puzzo!‹
4 sagt Madame.
Nun war eine ganze Weile Schweigen, während Monsieur de Marillac den Brief las und vielleicht zweimal las.
›Dieser Brief, Madame‹, sagt er dann, ›gibt sich demütig, |142| unterwürfig und ehrerbietig. Doch in der Tat, Madame, wenn man zwischen den Zeilen liest, schraubt Euch der Kardinal.‹
›Er schraubt mich?
E che cosa signifia questa parola
?
‹ 1
›Er macht sich über Euch lustig, Madame.‹
›Über mich? Er macht sich lustig über mich, MICH!‹ brüllt Madame. ›Und … und … und wie?‹
Ich denke, jetzt geht das Toben wieder los. Es kommt aber nichts. Die Neugier ist zu groß.
›Und wie?‹ fragt sie wieder.
›Indem er Euch bittet, beim König dafür einzutreten, daß er seine Demission annimmt.‹
›Und wieso macht er sich damit über mich lustig?‹
›Diese Demission, Madame, wurde offensichtlich vom König bereits abgelehnt, und wenn Ihr bei Ludwig dafür eintretet, erhaltet
Ihr nur eine strenge Abfuhr.‹
›Aber, das ist ja ein Satan, dieser Hanswurst von Kardinal!‹ schrie Madame.
So, gnädiger Herr«, schloß die Zocoli, »das ist alles, was ich Euch berichten kann, außer daß Madame nach dem Besuch von Monsieur
de Marillac gleich zu Bett ging und ich mein Versteck endlich verlassen konnte.«
Ich dankte der Zocoli und wollte ihr für die schöne Geschichte einen Taler geben, den sie aber mit Würde ablehnte, sie habe
einen Herrn, sagte sie, der sie gut bezahle. Gern hätte ich sie, weil ich so zufrieden mit ihr war, zum Abschied freundschaftlich
umarmt, sagte mir aber, daß es bei ihr nicht bei der Freundschaft bleiben würde, überließ sie also Monsieur de Guron und eilte
frohen Herzens in mein Zimmer. Doch anstatt mich schlafen zu legen, brachte ich erst alles zu Papier, was die Königinmutter
gesagt hatte, um es wortwörtlich für den Kardinal festzuhalten.
Ich war sehr müde nach diesem langen Tag, an dem sich soviel ereignet hatte. Rasch entkleidete ich mich – es war spät, ich
wollte meinen Diener nicht mehr wecken –, zog um mein Bett die Vorhänge zu und wartete auf den Schlummer, der aber nicht kam.
Statt dessen geriet ich ins Grübeln über Marillac.
Mir scheint, Leser, daß ich Ihnen schon andeutete, wie ich über ihn dachte. Doch was ich auch gesagt haben mag, hier braucht
es ausführlichere, gründlichere Worte, denke ich, als |143| eine Bemerkung nebenher. Marillac war gewiß nicht dumm und einfältig wie der arme Bérulle, der, weil er so oft zu Gott sprach,
sich schließlich einbildete, Gott vergelte ihm dies mit Vertraulichkeiten und Prophezeiungen. Wie der Leser sich erinnern
wird, hatte er sich befugt geglaubt, Richelieu zu schreiben, er müsse den Deich vor La Rochelle gar nicht bauen, die Mauern
der Feste würden von selber fallen: Er habe diesbezüglich eine Erleuchtung gehabt.
Nein, Monsieur de Marillac war ein Mann von großem Verstand, sehr arbeitsam und erfüllte sein Amt als Siegelbewahrer aufs
beste.
Gut, man konnte verstehen, daß er in seiner fanatischen Frömmelei nichts so sehr wünschte wie die Ausrottung der hugenottischen
Ketzer und daß er daher eine spanische Allianz für erstrebenswert hielt, trotz aller Gefahren, die das für Frankreich bedeutete.
Man konnte notfalls sogar verstehen, daß er glaubte, er selbst sei der rechte Mann, um diese Politik durchzusetzen, und Richelieu
müsse verschwinden, damit er an dessen Stelle treten könne. Doch genau an diesem Punkt meiner Rede drückt mich der Schuh.
Auf wen oder was konnte Monsieur de Marillac sich zur Durchsetzung dieses Ziels denn stützen? Auf den König? Aber Ludwig,
der seinen Vater verehrte, war unwiderruflich anti-spanisch. Er wußte genau, daß dieser über alles geliebte Vater durchaus
nicht zufällig zu einem Zeitpunkt ermordet worden war, als er zum entscheidenden Krieg gegen Spanien rüstete. Ludwig wußte
auch, daß dieser Vater den Plan einer spanischen Heirat für seinen Dauphin abgelehnt hatte, jenen Plan, den zu seinem großen
Kummer die Witwe gewordene Mutter dann verwirklichte. Und gab es auch andere
Weitere Kostenlose Bücher