Rache der Königin
Blasebalg. Da höre ich den Majordomus fragen,
ob Ihre Majestät Monsieur de Marillac empfangen wolle. Mit erloschener Stimme sagt sie ›Ja‹, und ich sehe, wie sie ihr Mieder
zuknöpft, aber nicht bis oben, weil ihr die Luft noch immer knapp ist, und ihre dicken Brüste liegen halb bloß, es war zu
komisch!«
»Was war daran komisch, Clairette?«
»Monsieur de Marillac, müßt Ihr wissen, ist ein großer Busenverächter, und kriegt er einen auch nur ein bißchen zu Gesicht,
zieht er rasch den Kopf ein wie eine Schildkröte. Doch Madame liebt Monsieur de Marillac, und kaum tritt er herein, befiehlt
sie ihm, Platz zu nehmen.«
»Sie befiehlt?«
»Oh, gebeten wird bei Madame nicht! Bei ihrem Rang! Höchstenfalls der Herrgott. Und weil Monsieur de Marillac keinen zweiten
Stuhl sieht, setzt er sich auf meine Truhe, was mir einen Schreck einjagt, denn er bräuchte sich nur umzudrehen, |140| und ich wäre entdeckt. Ich beruhige mich aber, weil ja laut Protokoll niemand Madame den Rücken kehren darf, und freue mich
in dem Gedanken, gleich das ganze schöne Zwiegespräch mit anzuhören, denn einen vollen Monat konnte ich nichts Rechtes sammeln.
Diesmal, dachte ich, kann ich wenigstens gute Ernte halten für den Herrn Kardinal.«
Womit die Zocoli eine Pause einlegte, sei es, um Atem zu schöpfen, denn als Pariserin sprach sie sehr geschwind, sei es, um
ihrer Rede neues Gewicht zu geben.
»Kaum also sitzt Monsieur de Marillac auf meiner Truhe, fängt Madame wieder zu schreien an.
›Monsieur de Marillac, Ihr werdet es nicht glauben! Dieser Hanswurst von Kardinal hat mir geschrieben! Mir! Er hat mir geschrieben,
nachdem ich ihn mit meiner wütenden Verachtung in aller Öffentlichkeit zerschmettert habe! Er wagt es, mir zu schreiben! Mir,
die ich diesen Bettler vom Hof, aus meinem Haus, aus dem Reich verjagt habe! Und er treibt die Schamlosigkeit so weit, mir
zu schreiben und sich auch noch meinen Diener zu nennen!‹
›Madame‹, sagt darauf ernst Marillac, ›der Kardinal ist keinesfalls zerschmettert, ganz im Gegenteil, und es besteht kein
Anlaß zu triumphieren. Als er den großen Saal verließ, wo Ihr ihn mit Eurer Verachtung straftet, rannen ihm Tränen wie dicke
Erbsen über die Wangen – Ihr wißt ja‹, setzt er boshaft hinzu, ›wie nahe unser großer Mann am Wasser gebaut hat! Aber als
der König von der Jagd kam, schloß er sich mit dem Kardinal in ein Kabinett ein, und als der Kardinal Seiner Majestät dann
die Tür öffnete, faßte der Hof Richelieu scharf ins Auge und erkannte von Tränen keine Spur, sondern nur ein strahlendes Gesicht.
Woraufhin Richelieu sich längere Zeit mit dem Herzog von Orbieu zurückzog. Der ganze Hof wartete unter den Fenstern auf den
Herzog, und als der endlich erschien, bestürmte man ihn mit Fragen, und seine Antwort war schlicht: ›Der König hat den Herrn
Kardinal getröstet.‹ Was der Hof mit Freude und Frohlocken begrüßte.‹
›Frohlocken?‹ fragt Madame.
›E che cosa significa questa parola?‹
1
›Große Freude, Madame.‹
|141| ›Große Freude?
Santa Maria! C’è da impazzire!
1 Was für Erznarren diese Franzosen doch sind! Ich, Königin von Frankreich, zertrete diesen kleinen Auswurf mit meiner wütenden Verachtung!
Und der König, mein Sohn, umarmt ihn! Der Hof klatscht Beifall!
E tutta la nazione è contro di mi!
‹ 2
›Narren oder nicht, Madame‹, sagt Marillac, ›der Hof hat für den Kardinal Partei ergriffen und, leider, gegen Eure Majestät.
Auch ich wurde geschmäht, beschimpft. Man beschuldigte mich, Euch diesen Skandal eingeflüstert zu haben. Und mehr als einer
prophezeite mir mit falschem Mitgefühl, der König würde mich vom Hof verjagen. Und Bérulle ebenso.‹
›Bérulle, Bérulle!‹ sagt auf einmal Madame, fahrig, wie sie ist. ›Wo ist überhaupt Bérulle? Wieso, zum Teufel, ist er nicht
hier? Ist das nicht der Gipfel, daß er nicht bei mir ist, um
aiutarmi come l’ho aiutato io di tasca mia. Che persona ingrata!
‹ 3
›Madame, der Kardinal ist nicht undankbar. Er liegt zu Bett. Es wird wohl sein Sterbelager sein, laut den Ärzten macht er
es nicht mehr lange.‹
›Aber er soll nicht sterben!‹ schreit Madame entrüstet. ›Sagt ihm von mir, daß er nicht sterben darf! Ich brauche ihn doch
so sehr!‹
›Aber wozu, Madame? Damit er Euch wieder zu einem schrecklichen Fehler verleitet?‹ sagt Marillac mit falscher Sanftmut. ›Ich
hatte Euch gewarnt, Madame, und habe
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