Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Karpfen.«
    ***
    Ludwig hing sehr an Schloß Saint-Germain-en-Laye, dem Aufenthalt seiner Kinderjahre. Er liebte den Park, die schöne Aussicht
     auf die Seine und den Wald von Vésinet, die gewiß viel reinere Luft als in Paris, das Wildgehege Le Pecq, das ihn schon damals
     von der Hirschjagd träumen ließ. Am schönsten aber war es für ihn, wenn sein geliebter Vater ihn besuchen kam, und er kam
     oft, und, Gipfel des Glücks, er kam allein, so daß das Königskind nichts vom Gekreisch, von Rüffeln und Androhungen der Peitsche
     seitens der Mutter zu fürchten hatte.
    Was mich angeht, so muß ich, trotz der wundersamen Begegnung, die ich als Zehnjähriger dort mit dem ein wenig jüngeren königlichen
     Knaben hatte, gestehen, daß das Schloß selbst – besonders wenn man es mit Fontainebleau vergleicht – nicht sonderlich anziehend
     ist. Was eine Residenz liebenswert macht, das ist doch, wie sehr sie von jenen geliebt wurde, die sie erbaut und die dort
     gelebt haben. Und das war bei Fontainebleau der Fall, das Franz I. auf den Ruinen eines Schlosses und eines Klosters hatte
     errichten und von italienischen Künstlern, die er bewunderte, ausschmücken lassen. Von Henri Quatre war es noch weiter verschönert
     worden, der, so knauserig er sonst war, zweieinhalb Millionen Livres dafür aufwandte. Leider gab Ludwig XIII., der dort geboren
     wurde, viel weniger Geld für Fontainebleau aus, denn obwohl er die prachtvolle |154| Residenz sehr liebte, zog er sich Versailles vor, weil Versailles nur fünf Meilen von Paris entfernt lag, was keinen so großen
     Umzug erforderte wie Fontainebleau, das, wie meine Alizon sagte, »beim Teufel« lag.
    Um Viertel nach acht, pünktlich wie ein preußischer Offizier, stieg ich verdrossen die Treppe Heinrichs II. hinan und schimpfte
     lauthals über deren jämmerlichen Zustand, denn die Gefahr war groß, auf den bröckelnden Stufen auszugleiten und zu stürzen.
     Endlich erblickte ich Beringhen, der mich, übers ganze Gesicht lachend, an der Schwelle der offenen Flügeltür erwartete. Daß
     Sie sich nicht täuschen, Leser: Wenn mein Kammerdiener ein braver Bauernsohn ist, so ist Beringhen von Adel (wer dürfte den
     König an- und auskleiden, wenn nicht ein Edelmann?), und übrigens nennt er sich auch nicht Diener, sondern Offizier des Königlichen
     Hauses. Deren gibt es mehrere, aber Beringhen ist unter ihnen der Erste, weshalb man ihn, nicht ohne Respekt »Monsieur le
     Premier« nennt, ein Titel, dessen er sich gerne rühmt, und zu Recht. Beringhen ist flämischen Ursprungs, hat blaue Augen,
     rosige Haut, blonde Haare, die nun langsam weiß werden, ein gutes Mundwerk und einen wackeren Schmerbauch, und weil er das
     Protokoll samt allen Subtilitäten genauestens kennt, konsultiert ihn gelegentlich sogar der König.
    »Meine Hochachtung, Monseigneur«, sagte Beringhen mit tiefer Verbeugung, wobei er aber im Ton schönster Vertrautheit sprach,
     weil mein Vater den seinen kannte und stets auf freundschaftlichem Fuße mit ihm stand. »Ich meinte zu hören«, setzte er hinzu,
     »daß Euch die Treppe Heinrichs II. nicht gefällt. Sie gefällt wirklich niemandem, und alle fürchten dort zu stürzen. Von Zeit
     zu Zeit erlaube ich mir, es Seiner Majestät zu sagen.«
    »Und was ist Ihre Antwort?«
    »›Später, Beringhen! Später! Im Augenblick habe ich keinen blanken Heller. Meine Kriege verschlingen alles.‹«
    Am Ende der Galerie Franz’ I., die ich nie ohne einige Gemütserhebung durchschreite, so prachtvoll finde ich sie, zog mich
     Berlinghen nach der linken Seite, nicht nach der rechten, wie ich erwartete, denn für gewöhnlich trat der Große Rat im Ballsaal
     zusammen. Ich erriet den Grund der Änderung, sagte aber keinen Ton.
    Der monumentale Kamin im Ballsaal wird zu beiden Seiten |155| von Satyrn aus schwarzer Bronze flankiert. Sie haben stark behaarte Schenkel, Symbole der Fleischeslust. Daß sie der Feuerstätte
     so nahe stehen, deutet an, daß ihr zügelloses Leben im Jenseits in den Höllenflammen endet.
    Wenn Henri Quatre Rat hielt, setzte er sich mit dem Rücken zum Kamin und war derweise eingerahmt von den zwei Satyrn, was
     ihn so wenig genierte, daß er ab und zu lose Witze darüber machte.
    Aus Respekt vor dem geliebten Vater hielt Ludwig, wenn er in Fontainebleau weilte, seinen Rat in diesem Saal, auch er mit
     dem Rücken zum Feuer. Doch bin ich überzeugt, daß die zwei Satyrn ihn störten, denn sobald das Wetter ungnädig wurde, sagte
     er, der

Weitere Kostenlose Bücher