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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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alt.«
    Wer weiß, warum vor einem Tod oft ein Moment eintritt, in dem der Kranke wieder zu Kräften zu kommen scheint, so als täusche
     die Krankheit vor, ihn zu verschonen, nur um desto stärker wiederzukehren und ihn dahinzuraffen.
    Dieser Nachlaß trat auch bei Ludwig ein. In der Nacht vom Achtundzwanzigsten zum Neunundzwanzigsten schien es ihm besser zu
     gehen, am Vormittag des Neunundzwanzigsten begann jedoch ein schwerer Rückfall. Von elf Uhr an verlor er solche Mengen Blut,
     daß man ihn endgültig aufgab, und wiederum beichtete und kommunizierte er. Armer König, was konnte er dem Pater Suffren anderes
     sagen, als was er nicht zwei Tage zuvor schon gesagt hatte? Sündigt man auf dem Sterbebett?
    Nachdem er kommuniziert hatte, befahl Ludwig, weil ein König von Frankreich nun mal öffentlich geboren werden und sterben
     muß, die beiden Flügel seines Schlafgemachs zu öffnen. Die Höflinge traten herein und fielen beim Anblick des abgezehrten
     Ludwig schweigend auf die Knie.
    »Ich bitte all jene um Vergebung«, sagte der König, »die ich gekränkt habe, und werde nur zufrieden sterben, wenn ich weiß,
     daß Ihr mir verzeiht.«
    Nun geschah etwas Bemerkenswertes, das angesichts der Tragik der Stunde aber nahezu unbeachtet blieb. Ludwig machte seiner
     Frau ein Zeichen, sich zu nähern, und küßte sie |201| schweigend auf beide Wangen. Er machte Richelieu das Zeichen und küßte auch ihn.
    Aber nicht einmal rief er seine Mutter zu sich. Auf seinem Sterbebett bat er alle um Verzeihung, ihr aber verzieh er nicht,
     so tief waren noch die Wunden, die die mütterliche Lieblosigkeit und Verachtung ihm in seinem kurzen Leben geschlagen hatte.
     Und weil er eine so gewissenhafte Seele war, dachte er wahrscheinlich, daß es nicht recht wäre, ihr gegenüber eine Geste zu
     machen oder eine Empfindung vorzutäuschen, die ihm nicht von Herzen kam.
    Doktor Bouvard bat den Großkämmerer, er möge die Höflinge auffordern, sich in die Galerie vor dem Gemach zu verfügen, während
     die Flügel der Tür geöffnet blieben, damit durch die vielen Menschen im königlichen Gemach nicht die Atemluft knapp werde.
     Was ohne unnötigen Lärm geschah, die meisten spürten, daß die Wache lang sein werde, und ließen sich auf den Teppichen nieder.
     Um das Bett saßen auf Lehnstühlen nur die Königinmutter, die Königin, Gaston, Marillac und Richelieu. Die Ärzte, die Edelleute
     der königlichen Kammer und ich hielten uns meist stehend im Hintergrund. Doktor Bouvard, der mich seit langem kannte, ließ
     mir von einem Diener einen Schemel bringen, was mich sehr erleichterte, denn nach einer Stunde taten mir vom langen Stehen
     die Beine weh.
    Auf Verlangen des Königs war das Gemach reichlich durch Kandelaber mit duftenden Kerzen erhellt, und so konnte ich die Gesichter
     der das Sterbebett umgebenden Familie gut beobachten, die ihren König so wenig liebte.
    Anna von Österreich war wohl noch am meisten ergriffen, freilich aus Gründen, die sehr viel mehr ihr Schicksal als das Ludwigs
     betrafen. Obwohl mehrmals schwanger, hatte sie die Frucht nie ausgetragen, sie hatte Frankreich noch keinen Dauphin geboren,
     und wenn sie Witwe würde, wäre sie nichts mehr am Hof. Ihre einzige, schon früher genährte Hoffnung war, dann Gaston zu heiraten.
     Sie hatte von jeher eine Neigung für ihn gehabt, ihr bißchen Verstand paßte auch gut zu Gastons Leichtsinn und seinen Clownerien.
     Was aber wäre, wenn Gaston König würde? Welche Gelüste, diese oder jene zu heiraten, kämen ihm dann in den Sinn? Er entschwirrte
     ebenso leicht, wie er sich fangen ließ. Er war die Marionette seiner Räte und sein Kopf eine Mühle, die sich nach dem Wind
     ihrer Phantasien |202| drehte. Artig auf ihrem Lehnstuhl sitzend, hielt Anna ein Spitzentuch in Händen, das sie im gegebenen Moment wohl für einige
     Tränen zücken konnte. Indessen warf sie aber verstohlene Blicke nach Gaston, der sie nicht einmal bemerkte, weil er wie geblendet
     und der Erde entrückt war durch die Vorstellung, König zu werden. Nach meinem Dafürhalten würde der erste Akt seiner Herrschaft
     auf traurige Weise dem der Mutter gleichen, nachdem Henri Quatre ermordet worden war: Er würde unverzüglich, zu seinem eigenen
     Gebrauch, die Schatztruhen leeren, und wenn er sich alle Taler angeeignet hätte, mit denen das Reich eine machtvolle Armee
     unterhalten konnte, würde er um jeden Preis Frieden mit Spanien schließen.
    Massig, daß die Hüften über den Sitz

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