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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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konnte.
    Manchmal folgte er solchen Gedanken, beantwortete sie, begann ein Zwiegespräch mit sich selbst. Er nannte sich nun schon so lange Billy, dass ihm sein altes Ich vorkam wie ein vollkommen fremder Mensch. Dieses andere Ich und Billy konnten Meinungen und Ideen austauschen und über das Gute und Schlechte in der Welt diskutieren.
    Manchmal – nicht oft, aber doch oft genug, dass man sich Gedankenmachen musste – wurden solche Diskussionen sogar hitzig. Seit er seine Arbeit begonnen hatte, kam das immer öfter vor. Einmal, zwischen dem Ausheben des zweiten und des dritten Loches, hatte er sich sogar selbst verletzt.
    Dieser Unsinn musste aufhören. Er konnte es sich nicht leisten, dass auf seinen Kopf kein Verlass war. Seine Arbeit erforderte Sorgfalt und eine ruhige Hand. Übereilte Handlungen würden ihn nur ins Unglück stürzen.
    Schluss damit, befahl er sich stumm.
    Zeit, ans Hier und Jetzt zu denken, an Konkretes und nicht an irgendwelche Eventualitäten. Es war schon Nachmittag, und er hatte noch einen langen Tag vor sich. Ein junges Mädchen wartete auf ihn, mit weichem, strohblondem Haar und zwei Reihen wunderschöner weißer Zähne im Mund.
    Er konnte sie beinahe schon auf der Zunge schmecken.

34
    Herkus mühte sich zurück zum Hotel und fluchte dabei lauthals auf den Verkehr. Lauter Weihnachtseinkäufer überschwemmten die Stadt, weil sie zu blöde gewesen waren, ihre Geschenke rechtzeitig zu besorgen.
    Vielleicht hätte er sich die letzte Prise Kokain, die er von Maxwell bekommen hatte, besser doch nicht genehmigt. Zwei Lines hätten vollkommen ausgereicht, um ihm den dichten Nebel aus dem Hirn zu blasen, und trotzdem hatte er noch eine dritte geschnupft.
    Er zwang sich zur Ruhe. Im Schneckentempo bog er von der Chichester Street auf die Victoria Street ab. Das Hotel lag nur einige hundert Meter hinter einem der größten Einkaufszentren der Stadt. In einem Hupkonzert versuchten Autos, in das unterirdische Parkhaus hinein- oder wieder hinauszukommen. Zwei Cops taten ihr Möglichstes, den Verkehr zu regeln, wurden aber von den Fahrern überwiegend ignoriert.
    Herkus steckte fest und konnte kaum etwas dagegen machen. Er stellte die Heizung höher und brüllte weiter. Das half.
    Sein Telefon klingelte.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ich bin’s«, meldete sich Arturas. »Wo steckst du?«
    »Ganz in der Nähe, nur ein Stück die Straße runter, aber es geht hier nicht voran.«
    »Wie lange noch?«
    »Keine Ahnung«, sagte Herkus. »In den letzten zehn Minuten bin ich keine drei Meter vorangekommen. Diese verfluchten Einkäufer.«
    Einen Moment herrschte Stille. Dann fragte Arturas: »Hast du was für mich?«
    »Ja, ich habe was.«
    »Steig aus und geh zu Fuß.«
    »Was?«
    »Fahr links ran und stell den Wagen ab«, sagte Arturas. »Wenn du schon so nah bist, kannst du auch laufen.«
    Herkus lachte entgeistert auf. »Nein, kann ich nicht. Hier ist nirgendwo Platz, um ranzufahren. Und selbst wenn, käme ich nicht durch den Verkehr. Es ist zu …«
    »Ist mir egal. Komm endlich.«
    »Hör mal. Boss, ich …«
    Beinahe hätte Herkus das Telefon fallen lassen, als es am Seitenfenster klopfte.
    »Bleib dran«, sagte er zu Arturas.
    Der Verkehrspolizist beugte sich hinunter und sah ihn durch die Scheibe an. Seine Pausbacken waren rot und nass vom Schnee. Er klopfte noch einmal und machte mit der behandschuhten Hand eine Kurbelbewegung.
    Herkus bedachte ihn mit einem freundlichen Lächeln und drückte auf den Fensterheber.
    »Guten Tag, Sir«, sagte der Cop.
    Herkus nickte.
    »Können Sie sich vorstellen, warum ich gekommen bin und an Ihre Scheibe geklopft habe?«, fragte der Cop mit matter Stimme.
    Herkus schüttelte den Kopf.
    »Ich bin gekommen und habe gegen Ihre Scheibe geklopft, weil ich gesehen habe, wie Sie telefoniert haben«, erklärte der Cop.»Ihnen ist ja wohl bekannt, dass es eine Ordnungswidrigkeit ist, beim Führen eines Kraftfahrzeugs zu telefonieren.«
    »Wirklich?«, fragte Herkus. Ohne auf Arturas’ blecherne Stimme zu achten, trennte er die Leitung und steckte das Handy ein. Dann sah er den Polizisten an und legte beide Hände gut sichtbar aufs Lenkrad. Seine schwitzenden Handflächen glitten über das Leder.
    »Jawohl«, sagte der Cop. »Wegen des Verkehrs werde ich Sie nicht bitten, auszusteigen, aber wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich gern einen Blick auf Ihre Fahrzeugpapiere werfen.«
    »Fahrpapier?«, fragte Herkus.
    »Führerschein und Versicherungsschein«, sagte der Cop,

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