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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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die anderen gerade über ihn lachen. Er hat ziemlich klein ausgesehen, so allein an der hohen Mauer, und auf einmal hat er mir leidgetan. Mir hat noch nie jemand leidgetan, nicht einmal Marcus, als er vom Alten halb totgeschlagen worden ist. Er hat gewusst, was passiert, wenn der Alte ihn erwischt, und außerdem, wenn du anfängst mit der Mitleidstour, dann hast du eh verloren. Heute der, morgen der, geht doch allen gleich beschissen. Irgendwie hat Luke mir das mit dem Mitleid angemerkt, und er hat aufgehört zu lachen. Hat aber nichts gesagt, ist nur zu dem Neuen rüber und hat ihm eine reingesemmelt, weil er zu uns rüberstarrt. Und dann noch eine, weil er bei uns im Zimmer ist und in Marcus’ Bett schläft. Und dabei hat er mich die ganze Zeit beobachtet, als wollte er testen, ob ich den Neuen verteidige. Hab ich natürlich nicht. Ich will doch keinen Ruf als Pimpfverteidiger haben, aber ich hab gemerkt, dass ich vorsichtiger sein muss.
    Luke ist mein bester Kumpel, und jetzt, wo Marcus nicht mehr da ist, so ziemlich der coolste Typ im Heim. Aber manchmal ist er einfach ein Arsch. Warum hat er das gemacht? Wenn wir draußen die Gymis prügeln, ist das was anderes. Die tun uns eigentlich auch nichts, aber die Penner brauchen ab und zu eine aufs Maul, bevor sie zu aufmüpfig werden mit ihren feinen Klamotten. Aber hier drinnen sind wir unter uns. Da herrscht ein anderer Kodex, und der Neue fällt auch darunter, selbst wenn er eine Nervensäge ist.

Montag, 23. Mai

11
    Auf den Knien sammelte Hanna die Bauklötze vom Boden auf und verstaute sie in der runden Papptonne neben ihrem Schreibtisch. Sie streckte sich, um das letzte Klötzchen unter dem Schreibtisch hervorzuholen, als ihre Finger etwas Dünnes, Ledriges ertasteten. Sie zog es hervor. Es war Steves Notizbuch. Wie elektrisiert richtete sie sich auf, ließ sich auf den Stuhl fallen und legte das Notizbuch vor sich auf die Schreibtischplatte. Starrte darauf, als wäre es eine Bombe, die jederzeit explodieren könnte. Sie hatte es gestern geholt, um nach dem Passwort zu suchen, und es heute früh in die Schreibtischschublade zurückgelegt, bevor sie mit Lilou zum Arzt und in die Krippe zum Antrittsbesuch gegangen war. Das konnte nicht Steve gewesen sein. Er wäre nicht unerkannt an der Hausmeisterin vorbeigekommen. Sie hätte sie sofort darauf angesprochen. Hannas Kehle schnürte sich zu, und sie legte ihre Hand darum, als könnte sie den Druck dadurch verringern. Wie kommst du überhaupt auf so eine Schnapsidee? Als ob Steve sich hier einschleichen würde, um dir heimlich Zeichen zu geben. Gnomaugen auf einem Plastikuntersetzer. Ausgerechnet Steve! Wie bescheuert ist das denn? Was für ein alberner Versuch, dich selbst zu täuschen. Du weißt, wie es angefangen hat. Opas Geist hat die Dinge verlegt, hat sie behauptet. Bis Mutter die Überwachungskameras installiert hat, um ihr zu beweisen, dass sie selbst es gewesen war. Hanna merkte, wie sie am ganzen Körper zitterte. Mühsam stand sie auf. Dann schleppte sie sich in ihr Schlafzimmer und zog sich ihr Laufdress an. Jetzt half nur noch eines. Sie hörte die Stimme ihrer Mutter. Du kannst nicht einfach davonlaufen! Doch. Sie konnte. Solange sie lief, ging es ihr gut.
    Es war die richtige Entscheidung gewesen. Auch wenn ihre Beine müde waren und ihre Arme steif vom Kinderwagenschieben, fühlte sie sich frisch und voller Energie. So weit war sie noch nie mit Lilou gelaufen, und wäre Lilou nicht nach ein paar Kilometern eingeschlafen, hätte sie umkehren müssen. Aber dann wäre sie nicht an diesen Punkt gekommen, an dem jede Zelle in ihr um eine Pause bettelte, und den man überwinden musste, damit die Beine wie von allein weiterliefen. Schritt für Schritt, als seien sie losgelöst vom Rest des Körpers. Der Punkt, an dem der Geist klar wird. Fokussiert und präzise.
    Sie legte die noch immer schlafende Lilou auf ihr Lammfell in der Küche und ging ins Bad. Die Badezimmertür ließ sie offen, um zu hören, wenn Lilou aufwachte. Wie gewohnt stellte sie die Dusche an, bevor sie sich auszog.
    Plötzlich hörte sie das Klappen der Wohnungstür.
    »Hallo?« Sie riss das Handtuch von der Stange, wickelte es um sich und trat in den Gang. »Steve? Bist du das?«
    Niemand antwortete. Barfuß lief sie zu Lilou, spürte die glatte Kühle der Holzdielen unter ihren Fußsohlen. Lilou lächelte zufrieden im Schlaf. Hanna beugte sich zu ihr und lauschte auf ihre Atemgeräusche. Dann inspizierte sie die Küche, prüfte, ob

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