Rachekind: Thriller (German Edition)
einen auf bester Kumpel. Gestern Abend hat er sogar Shem vom Tisch geschmissen, damit Steve sich dazusetzen kann. Shem war arschsauer, und Steve wollte Shems Platz gar nicht, das hab ich ihm angesehen, aber er hat sich auch nicht getraut, Luke zu widersprechen. Jedenfalls hat er das ganze Essen über kein Wort gesagt, und sein Blick ist immer wieder zu Shem gewandert. Der hat zwei Tische weiter gesessen und gekocht vor Wut. Am liebsten würde der ’ne Bombe über Steve abwerfen. Erst haut er ihn aus dem Fußballteam raus, jetzt muss er ihm auch noch am Tisch Platz machen. Das geht nicht gut, das gibt noch richtig Ärger, und zwar für Steve. Und der weiß das auch und hat mich vorhin gefragt, was er machen soll. Ich hab aber keine Antwort für ihn gehabt, ich bin doch nicht der liebe Gott. Er war ziemlich ratlos und hat dann wieder angefangen, von seinem Heldenvater zu erzählen und seiner Mutter und dass die immer eine volle Dose mit Keksen für ihn dahat, und von dem Haus mit dem Brunnen und den vielen Rosen und dem Arsenal-Poster über dem Bett. Irgendwie konnte ich es nicht mehr hören und musste dringend raus. Ich hab ihn mit zu den Spinnen genommen, und erst hat er sich voll gegruselt, bis ich ihm gezeigt hab, dass man vor denen keine Angst haben muss. Ich hab ihm die alte Zara auf die Hand gesetzt und hab gesehen, wie er sich zusammenreißt, um nicht total panisch zu werden. Aber dann hat er sogar mit dem Finger über ihren haarigen Körper gestrichen, und da ist es passiert. Es war schrecklich. Ich versteh nicht, woher er plötzlich gekommen ist, aber auf einmal stand Linus hinter uns und hat gefragt, was wir hier suchen. Er macht das immer. Schleicht sich an wie so’n Spanner und belauscht uns, und wenn er was mitbekommt, was er dem Alten stecken könnte, erpresst er uns damit. Deswegen hat Marcus ihn damals vermöbelt. Weil er keinen Bock mehr hatte, sich von dem Schleimbeutel ausnehmen zu lassen. Steve hat sich so erschreckt, dass er Zara hat fallen lassen. Linus hat das aber nicht gesehen und ist auf Steve zu, damit er nicht wegrennen kann, und dabei ist er auf Zara getreten. Ausgerechnet Zara, die Lieblingsspinne vom Alten. Es hat ein scheußliches Geräusch gemacht, und ich wusste, Zara kann das nicht überlebt haben. Ich hab Steve gepackt und bin ab mit ihm, nur weg, bevor Linus den Alten holt. Und dann sind wir Luke über den Weg gerannt, und ich hab ihm erzählt, was passiert ist. Er hat nur Scheiße gesagt, das ist echt Megascheiße, hat er gesagt, der Alte zermatscht euch genauso, wie Linus die Spinne zermatscht hat. Ich hab gefragt, was wir jetzt tun sollen, und da hat er zu Steve gesagt, ich regel das mit Linus, der schuldet mir noch was. Und als er dann später zurückkam, hat er gar nichts gesagt, nur einmal gezwinkert und den Mund auf einer Seite zu einem Grinsen verzogen.
Drei Monate später
Donnerstag, 15. September
35
Hanna heftete den Kundenauftrag unter L ab, schloss den Ordner und stellte ihn ins Regal zurück. Am Schreibtisch kündigte der Computer eine Mail an. Hanna setzte sich. Von Linus. Sie klickte darauf.
Hat Steve sich gemeldet? Lebst du noch? Habe geträumt, dass du dich erhängt hast. Hätte dir Tagebuch nicht geben sollen, aber deine Überzeugung, dass Steve so ein toller Mann ist, hat mich wütend gemacht. Brauchst du noch ein paar Insiderinfos, um zu kapieren, dass er deine Tränen nicht wert ist?
Grüße Linus
Sie klickte auf »Antworten«.
Hallo, Linus, lebe noch, keine Angst! Nein, keine News von Steve, und danke nein, derzeit kein Bedarf an neuen Horrorstorys. Ich schließe ab mit dem Kapitel, genug geweint, genug gelitten. Danke für deine Unterstützung die letzten Monate. Deine Infos über Steve haben mir geholfen, ihn so zu sehen, wie er wirklich war.
Hanna dachte an die wöchentlichen Mails, mit denen sie sich zwei Monate lang über Steve ausgetauscht hatten, immer donnerstags, immer pünktlich um zwei Uhr. Die erste Mail hatte sie erstaunt, Linus war voller Sorge gewesen, wie sie mit dem Inhalt des Tagebuchs zurechtkam, und zum ersten Mal hatte er ihr wirklich Informationen über Steve gegeben. Doch sie erzählten keine schöne Geschichte. Sie bestätigten das Bild, welches Rob gezeichnet hatte, das Bild eines wütenden jungen Mannes, verloren in einer Welt, in die er nicht passte und nicht passen wollte. Das Bild eines Menschen, der keine Skrupel hatte, andere auszurauben, zu belügen und zu betrügen. Es hatte ihr gutgetan. Sie bediente sich der
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