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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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nicht das geringste Geräusch verursachten, durch den schäbigen Flur ging. Die genaue Melodie bekam er jedoch bei aller Mühe nicht zu fassen. Das Bruchstück eines Liedes, das seine Schwester einst gesungen hatte, als er noch klein gewesen war, ging ihm im Kopf herum. Vor sich sah er noch das Sonnenlicht auf ihrem Haar, wie sie da saß, das Fenster in ihrem Rücken, das Gesicht im Schatten. Das war nun schon so lange her. Verblasst wie billige Farbe in der Sonne. Er selbst hatte nie eine gute Singstimme gehabt. Aber er summte zumindest und stellte sich vor, seine Schwester fiele mit ein, und das gab ihm ein beruhigendes Gefühl.
    Er steckte das Messer weg und auch den geschnitzten Vogel, der schon beinahe fertig war, obwohl ihm der Schnabel noch ein paar Probleme bereitete und er nun nichts überstürzen wollte, um auf keinen Fall etwas abzubrechen. Geduld. Diese Tugend war für einen Holzschnitzer ebenso unerlässlich wie für einen Meuchelmörder. Vor der Tür blieb er stehen. Weiches, blasses Kiefernholz, voller Astlöcher und schlecht zusammengefügt; Licht fiel durch einen Spalt. Manchmal wünschte er sich, seine Arbeit würde ihn an bessere Orte führen. Ruhig hob er einen Fuß und sprengte das Schloss mit einem einzigen Tritt auf.
    Acht Paar Hände griffen zu den Waffen, als die Tür aus den Angeln krachte. Acht harte Gesichter wandten sich ihm ruckartig zu, sieben Männer und eine Frau. Schenkt erkannte die meisten von ihnen. Sie hatten zu dem knienden Halbkreis in Orsos Thronsaal gehört. Assassinen, die man auf Arios Mörder angesetzt hatte. Gewissermaßen also Jagdgefährten. Wenn man die Fliegen auf einem Kadaver als die Jagdgefährten des Löwen bezeichnen kann, der die Beute gerissen hat. Er hatte nicht erwartet, dass ihm solches Volk zuvorkommen würde, aber er hatte es sich schon seit langem abgewöhnt, sich über die Wendungen zu wundern, die das Schicksal nahm. Es zuckte hin und her wie eine Schlange im Todeskampf.
    »Komme ich zu einer ungünstigen Zeit?«, fragte er.
    »Das ist er.«
    »Der, der nicht knien wollte.«
    »Schenkt.« Das kam von dem Mann, der sich ihm in Orsos Thronsaal in den Weg gestellt hatte. Schenkt hoffte, dass der Kerl seinen Rat beherzigt hatte, aber er hielt das für unwahrscheinlich. Ein paar der Kopfgeldjäger entspannten sich, als sie sein Gesicht erkannten, schoben die halb gezogenen Klingen wieder zurück und dachten offenbar, er sei einer von ihnen.
    »Nun gut.« Ein Mann mit pockennarbigem Gesicht und langem schwarzem Haar schien der Anführer zu sein. Er beugte sich zu der Frau hinüber und drückte ihren Bogen mit einem Finger zu Boden. »Ich heiße Malt. Du kommst gerade richtig, um uns dabei zu helfen, sie zu stellen.«
    »Sie?«
    »Die Leute, für deren Tod uns Seine Exzellenz, Herzog Orso, bezahlt, oder was hast du gedacht? Sie sind da drüben in dem Rauchhaus.«
    »Sie alle?«
    »Die Wichtigen jedenfalls.«
    »Woher wisst ihr, dass ihr den richtigen Mann erwischt habt?«
    »Die richtige Frau. Pello weiß es, nicht wahr, Pello?«
    Pello zeichnete sich durch einen zerrauften Schnurrbart und verschwitzte Verzweiflung aus. »Es ist Murcatto. Die Frau, die Orsos Heer bei Föhrengrund anführte. Sie war in Visserine, das ist noch keinen Monat her. Hatte sie gefangen genommen. Hab sie selbst befragt. Dabei hat der Nordmann ein Auge verloren.« Der Nordmann namens Espe, von dem dieser Sajaam erzählt hatte. »In Saliers Palast. Ein paar Tage später hat sie Ganmark dort umgebracht, Orsos General.«
    »Die Schlange von Talins höchstpersönlich«, sagte Malt stolz, »und sie lebt noch. Was sagt man dazu?«
    »Ich bin völlig verblüfft.« Schenkt ging langsam zum Fenster und sah auf die Straße. Ein schäbiger Ort für eine berühmte Generalin, aber so war das Leben. »Sie hat Männer bei sich?«
    »Nur diesen Nordmann. Nichts, womit wir nicht fertig würden. Nim die Glückliche und zwei ihrer Jungs warten in dem kleinen Gässchen hinterm Haus. Wenn die große Uhr das nächste Mal schlägt, gehen wir vorn rein. Sie können nicht entkommen.«
    Schenkt sah langsam in jedes der misstrauischen Gesichter um ihn herum. »Ihr seid alle entschlossen, das zu tun? Ihr alle?«
    »Na klar sind wir das, verdammt noch eins. Hier wirst du keine Hasenherzen antreffen, mein Freund.« Malt sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Willst du mit uns kommen?«
    »Mit euch?« Schenkt holte tief Luft und seufzte. »Große Stürme spülen seltsame Gefährten an den Strand.«
    »Das nehme

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