Racheklingen
trieb ihr eigenes Tier ein oder zwei Schritte vorwärts, stellte sich in den Steigbügeln auf, um besser sehen zu können, und ihre geborgte Rüstung schimmerte stumpf in der Morgensonne. Espe runzelte die Stirn.
Auf gewisse Weise war er wegen ihr hier. Um für sie zu kämpfen. Um sie zu beschützen. Um die Dinge zwischen ihnen irgendwie doch wieder hinzubiegen. Oder vielleicht auch nur, um ihr genauso wehzutun, wie sie ihn verletzt hatte. Er ballte die Hand zur Faust, bohrte die Nägel in die Handfläche, die Knöchel noch abgeschürft von dem Hieb, mit dem er dem Diener den Zahn ausgeschlagen hatte. Sie waren noch nicht fertig, so viel war ihm klar.
KRIEGSGESCHÄFT
Die obere Furt war ein kleiner Flecken langsam strömenden Wassers, das in der Morgensonne glitzerte, als es sich an den Untiefen kräuselte. Ein schmaler Pfad führte am anderen Ufer zu einigen verstreuten Gebäuden, dann durch einen Hain mit Obstbäumen und den langen Hang hinauf bis zu einem Tor in der äußeren, schwarz gestreiften Stadtmauer Osprias. Die Stadt sah völlig verlassen aus. Rogonts Fußtruppen waren größtenteils in die schweren Kämpfe an der unteren Furt verstrickt. Nur ein paar kleinere Einheiten waren zurückgeblieben, um den Bogenschützen Deckung zu geben, die weiterhin das Knäuel von Männern beschossen, das versuchte, so schnell wie möglich aus der Flussmitte ans Ufer zu kommen.
Die osprianische Kavallerie wartete als letzte Reserve im Schatten der Mauern, aber es waren zu wenige Männer, und viel zu weit weg. Der Weg der Tausend Klingen zu Sieg und Ruhm schien unbewacht. Cosca strich sich leicht über den Hals. Nach seiner Berechnung war nun der ideale Augenblick zum Angriff gekommen.
Andiche war offenbar derselben Meinung. »Da unten geht es heiß zur Sache. Soll ich den Männern den Befehl zum Aufsitzen geben?«
»Wir wollen sie noch nicht behelligen. Es ist noch früh.«
»Bist du sicher?«
Cosca wandte sich um und sah ihm ruhig ins Gesicht. »Sehe ich so aus, als sei ich es nicht?« Andiche blies die pockennarbigen Backen auf, dann trollte er sich, um sich mit seinen Offizieren zu beraten. Cosca streckte sich, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und sah zu, wie sich die Schlacht entwickelte. »Was habe ich gerade gesagt?«
»Eine Möglichkeit, all das hinter dir zu lassen«, sagte Freundlich.
»Genau! Ich hatte die Möglichkeit, all das hinter mir zu lassen. Und dennoch beschloss ich zurückzukehren. Es ist gar nicht so einfach, sich zu ändern, was, Feldwebel? Ich erkenne und begreife, wie völlig sinnlos, welche Verschwendung all das ist, und dennoch tue ich es. Macht mich das zu einem schlechteren oder zu einem besseren Menschen, verglichen mit jenen, die denken, dass sie für eine gerechte Sache streiten? Oder verglichen mit jenen, die nur für den eigenen Profit kämpfen, ohne auch nur einen Gedanken an richtig oder falsch zu verschwenden? Oder sind wir alle gleich?«
Freundlich zuckte nur die Achseln.
»Männer sterben. Männer werden verwundet. Leben gehen dahin.« Er hätte genauso gut Gemüsesorten aufzählen können, so wenig empfand er bei diesen Worten. »Ich habe mein halbes Leben mit Zerstörung beschäftigt. Die andere Hälfte mit Selbstzerstörung. Ich habe nichts geschaffen. Nur Witwen, Waisen, Ruinen, Elend, ein oder zwei Bastarde vielleicht und einen großen Haufen Kotze. Ehre? Ruhm? Meine Pisse ist mehr wert, damit kann man zumindest Nesseln düngen.« Aber wenn er beabsichtigt hatte, sein eigenes Gewissen mit diesen Worten wachzukitzeln, dann schlief es dessen ungeachtet unbekümmert weiter. »Ich habe in vielen Schlachten gekämpft, Feldwebel Freundlich.«
»In wie vielen?«
»Zwölf? Zwanzig? Mehr? Die Grenze zwischen Scharmützel und Schlacht ist fließend. Manche Belagerungen zogen sich ewig hin, und immer wieder kam es zu Kämpfen. Zählt das als eine oder als mehrere Schlachten?«
»Du bist der Soldat.«
»Und nicht einmal ich weiß die Antwort. Im Krieg gibt es keine sauberen Grenzen. Wo war ich gerade?«
»Viele Schlachten.«
»Ah ja! Viele! Und obwohl ich mir stets alle Mühe gegeben habe, nicht zu sehr in die Kämpfe verwickelt zu werden, ist mir das oft nicht gelungen. Mir ist völlig bewusst, wie es ist, wenn man sich inmitten dieses Gewühls befindet. Die blitzenden Klingen. Gespaltene Schilde und zerschmetterte Speere. Das Gedränge, die Hitze, der Schweiß, der Gestank des Todes. Die winzigen Heldentaten und die kleinen Schurkereien. Stolze Flaggen und ehrbare
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