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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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war, als ich sagte, ich sei keine Gringa, und die einzige Gringa sei sie.«
    »Heißt das, es ist vorbei mit Carlos?«, fragte ich. Bis zum nächsten Mal zumindest. »Bist du wieder solo?«
    »Solo«, bestätigte sie. »Wir müssen uns heute Abend volllaufen lassen.«
    »Recht hast du. Und vielleicht könnte ich Wayne anrufen und ...«
    »NEIN!«, rief sie aus. »Mir reicht es, dass du ...«
    »Was?« Ich sah sie schreckerfüllt an.
    »Nichts«, murmelte sie. »Nichts. Ich will mich einfach nur betrinken und in meinem Kummer schwelgen und mich ausheulen. Mit Koks kann man nicht richtig unglücklich sein. Jedenfalls nicht, wenn du es nimmst«, fügte sie geheimnisvoll hinzu. »Ich ziehe mich jetzt um.«
    »Prostituta«, rief sie aus ihrem Zimmer.
    »Du bist auch nicht gerade eine Heilige«, erwiderte ich schlagfertig.
    »Nein.« Ich konnte das Lachen in ihrer Stimme hören. »Ich habe es gerade nachgesehen, das ist das spanische Wort für Prostituierte.«
    »Ach so.«
    »Ich wollte mich nur versichern, dass ich weiß, wie ich sie richtig beschimpfe, wenn ich ihr den Brief schreibe.«
    »Was für einen Brief?«
    »Den Brief an die Latti-Braut.«
    O nein.
    »Freches Flittchen«, hörte ich Brigits Stimme weiter. »Wofür hält die sich eigentlich, dass sie so ungezogen zu mir ist? Gefällt dir das? Latti-Braut. Und weil wir irisch sind, sind wir die Patti-Bräute. Mal sehen, vielleicht fallen uns noch mehr Ausdrücke ein.«
    »Wäre es nicht besser, du würdest an Carlos schreiben?«, schlug ich zaghaft vor.
    Ich hörte sie murmeln: »Batti, Catti, Datti, Eatti, Fatti, Gatti ... Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er dann wüsste, dass mir an ihm liegt.«
    Dann fügte sie hinzu: »Weißt du, wenn unsere Braut bei Carlos was werden will, dann muss sie zwei Dinge gut können.«
    »Und das wäre?«
    »Einen blasen und verzeihen.«
    Das Telefon klingelte. Wir machten beide einen Satz, ich im Wohnzimmer, sie in ihrem Zimmer. Brigit war als Erste dran. Schon als Kind hatte sie phantastische Reflexe. Viele glückliche Stunden hatten wir damit zugebracht, uns mit einem Lineal unterhalb der Kniescheibe einen leichten Schlag zu versetzen und zu rufen: »Es hat sich bewegt!«
    »Es ist für mich«, rief sie.
    Knapp sieben Sekunden später kam sie ins Wohnzimmer gestürzt und keuchte: »Rate mal, wer das war.«
    »Carlos.«
    »Woher wusstest du das? Er will sich bei mir entschuldigen. Und, ehm ... er kommt heute Abend hierher.«
    Ich sagte nichts darauf. Ich war nicht in der Position, sie zu kritisieren.
    »Komm, lass uns mal ein bisschen aufräumen. In einer halben Stunde kommt er schon.«
    Ohne rechte Begeisterung zerknüllte ich die leeren Chipstüten, sammelte die Bierdosen ein und schleppte meine Bettdecke in mein Zimmer.
    Carlos kam nicht in einer halben Stunde. Auch nicht in einer Stunde. Auch nicht in anderthalb Stunden. Auch nicht in zwei Stunden. Auch nicht in drei Stunden.
    Im Lauf des Abends zerfiel Brigit. Ganz allmählich, wie in Zeitlupe.
    »Ich kann es nicht glauben, dass er mir das wieder antut«, flüsterte sie. »Nach dem letzten Mal hat er mir doch versprochen, mich nicht mehr zu quälen.«
    Als anderthalb Stunden vergangen waren, hielt sie es nicht länger aus und bat mich, ihn anzurufen. Keiner nahm ab. Das freute sie, weil sie glaubte, er sei auf dem Weg. Doch als er nach weiteren zwanzig Minuten nicht erschien, gab sie diese Hoffnung wieder auf.
    »Er ist mit ihr zusammen, mit der kleinen Latti-Braut«, stöhnte sie. »Ich spüre es. Ich weiß es, ich bin eine Hexe, meine Gefühle trügen nicht.«
    In mir war ein winziges Klümpchen Zufriedenheit. Ich wünschte mir, er wäre so gemein zu ihr, dass sie ihm den Laufpass geben musste. Aber ich schämte mich dieses Gefühls.
    Als drei Stunden verstrichen waren, stand sie auf und sagte: »Jetzt reicht’s. Ich gehe zu ihm.«
    »Nein, Brigit«, bat ich sie. »Bitte ... deine Würde ... deine Selbstachtung ... so ein Schwein ... eine ganze Horde Schweine ... mit denen darf man sich gar nicht abgeben ... was soll das ... setz dich doch ...«
    In dem Moment klingelte es an der Tür. Es war, als würde die ganze Wohnung erleichtert aufatmen. Ich bemerkte erst, dass ich meine Schultern bis zu den Ohren hochgezogen hatte, als sie sich wieder senkten.
    »Um die elfte Stunde«, murmelte Brigit.
    Ich beschloss, nicht zu erwähnen, dass die elfte Stunde schon längst verstrichen war und wir jetzt bei der sechzehnten oder siebzehnten waren.
    Ein seltsames Glitzern trat in

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