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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wäre top«, fügte ich hinzu.
    »Nein.«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    »Ich habe das nicht so gemeint, das mit dem Heroin.«
    »Ich weiß, aber Sie können trotzdem keine Drogen bekommen.«
    »Nicht Drogen, nur was gegen die Schmerzen, verstehen Sie das nicht?«
    »Hören Sie sich doch mal selbst zu!«
    Ich war verwirrt. »Aber es tut so weh!«
    »Sie müssen lernen, damit zu leben.«
    »Aber ... aber das ist grausam.«
    »Sie könnten sagen, dass das Leben grausam ist, Rachel. Betrachten Sie es als Gelegenheit, mit dem Schmerz zu leben.«
    »O mein Gott«, sagte ich, »ich bin doch jetzt nicht in der Gruppe.«
    »Das ist doch unerheblich. Wenn Sie Cloisters verlassen, sind Sie auch nicht mehr in der Gruppe, und trotzdem werden Sie in Ihrem Leben Schmerz erleben. Und dann werden Sie lernen, dass er Sie nicht umbringt.«
    »Natürlich bringt es mich nicht um, aber es tut weh.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Lebendig zu sein tut weh, aber deswegen schluckt man doch keine Schmerzmittel ... O nein, ich hatte es vergessen«, fügte sie noch hinzu, »Sie schon.«

    Die Schmerzen waren so stark, dass ich dachte, ich würde wahnsinnig. Ich konnte nicht schlafen, und zum ersten Mal in meinem Leben weinte ich vor Schmerzen. Vor körperlichen Schmerzen, meine ich.
    Mitten in der Nacht ertrug Chaquie mein Herumgewälze und Gestöhne nicht länger und schleppte mich ins Krankenzimmer.
    »Tun Sie etwas«, sagte sie laut. »Sie hat Schmerzen, und ich kann nicht schlafen. Und morgen kommt Dermot als meine Wichtige Beteiligte Bezugsperson. Ich kann sowieso schon kaum ein Auge zutun.«
    Widerwillig gab Celine mir zwei Paracetamol, die den Schmerzen gar nichts anhaben konnten, und sagte: »Sie sollten morgen früh zum Zahnarzt gehen.«
    Die Angst davor war fast ebenso groß wie der Schmerz.
    »Ich will aber nicht zum Zahnarzt«, jammerte ich.
    »Das wundert mich nicht.« Sie lächelte spöttisch. »Waren Sie heute Abend bei dem Vortrag?«
    »Nein«, sagte ich trotzig. »Den habe ich geschwänzt, statt- dessen war ich im Dorf und habe mich volllaufen lassen.«
    Sie riss die Augen auf. Sie fand das nicht komisch.
    »Natürlich war ich da. Wo soll ich denn sonst gewesen sein?«
    »Warum betrachten Sie den Besuch beim Zahnarzt nicht als die erste erwachsene Handlung in Ihrem Leben«, regte sie an. »Der erste angstbesetzte Gang, den Sie ohne Drogen antreten.«
    »Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe«, zischte ich leise.

    Obwohl Margot, eine der Schwestern, mich begleitete, waren die anderen Insassen neidisch auf mich.
    »Meinst du, du kannst FLIEHEN?«, fragte Don mich.
    »Natürlich«, murmelte ich, die Hand auf der geschwollenen Backe. »Sie schicken die Leoparden hinter dir her«, warnte Mike mich.
    »Ja, aber wenn sie sich ein Stück flussabwärts treiben lässt, verlieren sie die Spur«, erklärte Barry.
    Davy schlich sich an mich heran und fragte diskret, ob ich in dem Rennen um vierzehn Uhr dreißig in Sandown Park auf Sieg und Platz setzen könnte.
    Und in dem um drei Uhr.
    Und in dem um halb vier.
    Und in dem um vier.
    »Ich weiß nicht, ob ich an einem Wettbüro vorbeikomme«, sagte ich und fühlte mich mies. Außerdem wüsste ich nicht, was ich da tun müsste, weil ich noch nie in meinem Leben in einem Wettbüro war.
    »Werden Sie mir Handschellen anlegen?«, fragte ich Margot, als wir uns ins Auto setzten.
    Sie warf mir einen verächtlichen Blick zu, und ich zuckte zusammen. Humorlose Tussi.
    Sobald wir das Gelände hinter uns gelassen hatten, fing ich an zu zittern, was mich völlig verblüffte. Die Welt draußen erschien mir fremd und bedrohlich, und ich hatte ein Gefühl, als sei ich schon lange fort gewesen. Das ärgerte mich. Ich war noch keine zwei Wochen in Cloisters, und schon heimgeschädigt.
    Wir fuhren in den nächsten Ort, zu Dr. O’Dowd, dem Zahnarzt, an den man sich wandte, wenn die Zähne eines Insassen aufmuckten. Und das passierte ständig, wenn man Margot Glauben schenken wollte.
    Auf dem Weg vom Auto zur Praxis kam es mir vor, als würde die ganze Stadt mich anstarren. Als wäre ich eine Gefangene im Hochsicherheitstrakt und hätte anlässlich der Beerdigung meines Vaters Freigang. Ich empfand mich als anders, fremd. Die Menschen mussten mich nur ansehen, dann wussten sie schon, woher ich kam.
    Ich registrierte ein paar Jugendliche an einer Straßenecke. Ich könnte wetten, dass die Drogen verkaufen, dachte ich, und das Adrenalin fing an, in meinen Adern zu pulsieren, während ich überlegte,

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