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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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hattest doch immer schon gewusst, dass irgendwas mit dir nicht stimmte. Wenigstens wusste ich jetzt, was es war.
    Zum ersten Mal spürte ich auch Erleichterung. Erleichterung darüber, dass ich nicht mehr kämpfen musste. Ich musste dem nagenden Wissen, dass mein Leben und mein Verhalten nicht normal waren, nicht länger aus dem Weg gehen. Und die Erleichterung zu wissen, dass ich nicht verrückt oder dumm oder nutzlos war. Ich war lediglich unreif und hatte ein geringes Selbstwertgefühl, und das würde sich geben, wenn ich mich von bewusstseinsverändernden Drogen fernhielt. Die Zukunft sah vielversprechend aus. Alles schien auf einmal so unkompliziert.
    Im Laufe der nächsten Woche wurden auch eine Menge anderer Dinge klar, nachdem ich einmal akzeptiert hatte, dass ich kein starkes Selbstwertgefühl hatte. Es erklärte, warum ich mich Männern in die Arme geworfen hatte, die mich nicht wollten. Josephine erklärte das an meinem viertletzten Tag in der Gruppe so: »Sie haben sich von ihnen Ihren Selbsthass bestätigen lassen.«
    Und es erklärte auch, warum die meisten Männer mich nicht wollten.
    »Sie waren zu bedürftig«, sagte Josephine. »Sie haben sie in die Flucht gejagt mit dem riesengroßen Loch in Ihrer Seele.«
    Ich verstand das alles und bewunderte die Künste der Psychotherapie. Ich würde über Luke hinwegkommen und mit einem anderen Mann eine wunderschöne Beziehung eingehen.
    »Und jetzt wollen wir mal über Ihre Essproblematik sprechen«, verkündete Josephine. Meine gute Stimmung war im Handumdrehen zunichtegemacht.
    »Sie missbrauchen Nahrungsmittel, so wie sie früher Drogen missbraucht haben«, sagte sie. »Sie waren dünn wie ein Skelett, als sie hierherkamen ...«
    »I wo, stimmt doch gar nicht«, sagte ich mit gesenktem Kopf und lächelte stolz.
    »Sehen Sie!«, kreischte sie. »Ungesund, sehr ungesund. Das kommt aus derselben Quelle wie Ihr Drogenmissbrauch. Sie lenken von Ihrer Unreife und Ihren Fehlern ab, indem Sie sich auf etwas werfen, von dem Sie glauben, dass Sie es kontrollieren können, also Ihr Gewicht. Aber Sie können sich innerlich nicht verändern, indem Sie sich äußerlich verändern. Sie hungern und prassen abwechselnd«, fuhr sie fort. Ich wollte ihr widersprechen, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen. »Wir haben Sie beobachtet, Rachel, wir wissen es. Sie sind fixiert auf Ihr Gewicht. Aber das hindert Sie nicht, massenhaft Schokolade und Chips in sich hineinzustopfen.«
    Ich senkte beschämt den Kopf.
    »Und Sie müssen doch zugeben«, sagte sie gerissen, »dass Sie trotz des großen Aufstandes, den Sie gemacht haben, weil Sie Vegetarierin sind, nicht gehungert haben.«
    Doch nichts konnte meine Stimmung auf Dauer dämpfen. Ich war so überschäumend gut gelaunt, dass ich bereit war anzuerkennen, Josephine könne bezüglich meiner Einstellung zum Essen möglicherweise recht haben. Warum nicht? Ich war es inzwischen gewöhnt, sechs unmögliche Dinge noch vor dem Frühstück als erwiesen anzuerkennen. Ich hatte akzeptiert, dass ich drogensüchtig war, warum nicht auch noch eine Essstörung, nur so zum Spaß? Gibt’s sonst noch irgendwelche Störungen, die ich habe?
    Ich fand das nicht weiter schwierig, denn Josephine sagte: »Wenn man die Quelle von einer Sucht erkennt, hat man sie alle erkannt.«
    »Ich freue mich schon sehr auf mein neues Leben«, frohlockte ich, als ich im Speisesaal mit Misty zusammensaß.
    »Lass es langsam angehen«, sagte Misty besorgt. »Es wird nicht so sein, dass sich alles regelt, sobald man aufgehört hat. Zu wissen, warum man Drogen genommen hat, ist nur die Spitze des Eisbergs. Du musst lernen, ohne sie zu leben, und das ist nicht einfach. Sieh mich an. Ich bin rückfällig geworden.««
    »O nein«, lächelte ich. Ihre Anteilnahme tat mir gut. »Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin fest entschlossen, die Dinge in den Griff zu kriegen.«
    »Meinst du, du gehst wieder nach New York zurück?«, fragte sie.
    Ich war auf der Stelle verwirrt und verängstigt. Und sehr wütend. Mein rosiger Ausblick auf das Leben hatte sich nicht auf Luke und Brigit erstreckt, diese Arschlöcher!
    »Ich glaube, ich gehe nie wieder nach New York«, murmelte ich.
    »Hast du Angst vor dem, was diese Designerleute sagen werden?«, fragte sie. »Wie hieß die eine noch? Helenka?«
    »Helenka?«, rief ich aus. »Nein, sie ist zu allen fies. Mit ihr will ich nichts mehr zu tun haben.«
    Ich kostete ein Gefühl der Befreiung aus, bevor ich sagte: »Nein, ich habe

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