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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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kritzelte etwas darauf.
    »Ja, Billings«, sagte ich, »natürlich, Billings.«
    »Wir nehmen niemanden gegen seinen Willen«, fuhr er fort. »Und wir nehmen niemanden, der keine Hilfe möchte. Wir erwarten von Ihnen Kooperation.«
    Das gefiel mir auch nicht. Ich wollte einfach einen ruhigen, entspannten Aufenthalt. Ich würde niemandem irgendwelchen Ärger bereiten. Aber ich wollte auch keine Ansprüche erfüllen müssen. Ich hatte einiges durchgemacht und war hier, um mich zu erholen. Dann wurde Dr. Billings richtig komisch.
    »Rachel.« Er sah mir tief in die Augen. »Geben Sie zu, dass Sie ein Problem haben? Möchten Sie, dass wir Ihnen helfen, von Ihrer Sucht freizukommen?«
    Ich fand, dass eine Lüge nicht schlimm war. Aber doch ein bisschen schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte.
    Mach dir einfach nichts draus, dachte ich mit Unbehagen. Denk doch an die Zeit zum Lesen, die Jacuzzi-Bäder, die Entspannungsübungen, die Solarien. Denk an den flachen Bauch, die schlanken Oberschenkel und die reine, klare Haut. Denk daran, wie sehr Luke dich vermissen wird und wie unglücklich er sein wird, wenn du im Triumphzug wieder in New York einziehst.
    Dann erklärte Dr. Billings die weiteren Bedingungen meines Aufenthaltes.
    »Besuch darf nur an den Sonntagnachmittagen empfangen werden, nicht jedoch am ersten Wochenende. Sie dürfen zweimal in der Woche telefonieren beziehungsweise zwei Anrufe empfangen.«
    »Aber das ist brutal«, sagte ich. »Zwei Anrufe. In der Woche?«
    Normalerweise telefonierte ich zweimal in der Stunde. Ich musste mit Luke sprechen und vielleicht wollte ich jede Menge anderer Leute anrufen. Zählte es als Anruf, wenn ich seinen Anrufbeantworter dranhatte? Und wenn er den Hörer auflegte? Das zählte doch nicht, oder ... ?
    Dr. Billings schrieb etwas auf meine Karte und sagte dann, während er mich eingehend musterte: »Das ist ein interessantes Wort, Rachel. Brutal. Warum nennen Sie es brutal?«
    O nein, dachte ich, als ich die Falle erkannte und ihr geschickt auswich. Ich kenne diese psychoanalytischen Tricks. So blöd bin ich nicht. Ich habe in New York gelebt, das höchstens noch von San Francisco übertroffen wird, was den Psychojargon angeht. Wahrscheinlich könnte ich ihn analysieren.
    Ich widerstand der Versuchung, ihn mit eindringlichem Blick zu fragen: »Fühlen Sie sich von mir bedroht, Dr. Billings?«
    »Ich habe mir nichts dabei gedacht«, sagte ich mit einem reizenden Lächeln. »Gar nichts. Zwei Anrufe in der Woche? Wunderbar.« Das ärgerte ihn, aber da konnte er nichts tun.
    »Sie verzichten während Ihres Aufenthaltes voll und ganz darauf, stimmungsverändernde Mittel zu nehmen«, fuhr er fort.
    »Heißt das, dass ich zu den Mahlzeiten keinen Wein bekomme?« Ich fand, ich sollte den Stier bei den Hörnern packen.
    »Wieso fragen Sie?«, schoss er zurück. »Mögen Sie Wein? Trinken Sie oft Wein?«
    »Keineswegs«, sagte ich, obwohl ich normalerweise nie »keineswegs« sagte. »Ich wollte es einfach nur wissen.«
    Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich enttäuscht. Zum Glück hatte ich die Valiumtabletten dabei.
    »Wir müssen Ihren Koffer überprüfen«, sagte er. »Sie haben doch nichts dagegen?«
    »Überhaupt nicht.« Ich lächelte anmutig. Wie raffiniert, dass ich die Tabletten in meine Handtasche gesteckt hatte.
    »Und Ihre Handtasche auch, selbstverständlich«, fügte er hinzu.
    Mist!
    »Ehm, ja, natürlich.« Ich versuchte ruhig zu klingen. »Kann ich erst zur Toilette gehen?«
    Seine selbstgefällige, wissende Miene gefiel mir gar nicht. Aber er sagte nur: »Den Flur entlang, auf der linken Seite.«
    Mein Herz pochte wild, als ich zur Toilette hastete und die Tür hinter mir zuschlug. Voller Panik drehte ich mich in dem kleinen Raum im Kreis und suchte einen Platz, wo ich meine kostbare kleine Flasche verschwinden lassen konnte. Oder, besser noch, einen Platz, wo ich sie verstecken und mir später wiederholen konnte. Es gab nichts. Keinen Mülleimer, keinen Eimer für Binden, keine Ecken, keine Nischen. Die Wände waren glatt, der Fußboden blank. Vielleicht war der Mangel an Verstecken kein Zufall? (Später fand ich heraus, dass es tatsächlich Absicht war.)
    Wie paranoid waren die denn hier?, dachte ich in hilfloser Wut. Verdammt paranoid, verdammt langbeinig, verdammt verrückt, verdammt verdammt!
    Ich stand mit der Flasche in der Hand da, und mir wurde schwindlig, während Angst sich zu Wut verwandelte und wieder zu Angst. Irgendwie musste ich die Pillen loswerden.

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