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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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mich gegen den Schwall ihrer Worte hoch und beschloss, mich schlafen zu legen. Aber ich wollte mich nicht vor ihr ausziehen. Ich meine, ich kannte die Frau ja überhaupt nicht.
    Als ich mich wie ein Schlangenmensch in Mums Nachthemd zwängte und versuchte, auch nicht einen Millimeter meines schamvollen Fleisches zu enthüllen, schimpfte Chaquie in schulmeisterlichem Ton: »Du musst mit deiner Cellulitis aufpassen, Rachel. In deinem Alter sollte man das nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
    Mit schamrotem Gesicht krabbelte ich in das schmale Bett.
    »Sprich mit Durm’t darüber«, sagte sie, »der kann was dagegen tun.«
    »WIE BITTE?« Ich war schockiert. Was war das für eine Frau, die ihren Ehemann anbot, damit er etwas gegen die Cellulitis einer anderen Frau tat?
    »Durm’t arbeitet in einem Schönheitssalon.«
    Das erklärte vieles. Als Erstes erklärte es, wieso sie so schick und gepflegt aussah.
    »Na ja, ich sage, er arbeitet in einem«, säuselte sie, »dabei sollte ich besser sagen, er besitzt ihn. Wir besitzen ihn. Durm’t sagt immer: ›Mit Cellulitis kann man jede Menge Geld machen.‹«
    Dann verdunkelte sich ihre Miene. »Der Dreckskerl«, zischte sie.
    Chaquie genierte sich nicht im Mindesten, als sie sich entkleidete. Im Gegenteil, sie zog eine richtige Schau vor mir ab. Ich versuchte, nicht hinzusehen, aber ich kam um ihren Anblick nicht herum, weil sie viel länger als nötig in Unterhose und BH herumstand. Und obwohl es mir schwerfiel, musste ich doch zugeben, dass sie ziemlich gut in Schuss war. Ein bisschen schlaff, aber eben nur ein bisschen. Angeberin, dachte ich mit zusammengebissenen Zähnen und wünschte, dass alles Unheil der Welt auf sie und ihre gebräunten, schlanken Oberschenkel niedergehen würde.
    Sie brauchte Stunden, um ihr Make-up zu entfernen, bearbeitete ihre Haut endlos mit den Fingerspitzen, klopfte und streichelte sie in sanfter Massage. Wenn ich, was selten genug vorkam, mein Make-up entfernte, warf ich mir einfach eine Handvoll Coldcream ins Gesicht, so wie ein Töpfer einen Klumpen Ton auf seine Drehscheibe wirft, und rieb sie mit der flachen Hand ein, als würde ich ein Fenster putzen. Dann wischte ich alles flüchtig mit einem Kosmetiktuch ab. Jetzt wollte ich dringend schlafen. Mir reicht es für heute, dachte ich, ich habe wirklich die Nase gestrichen voll. Ich würde gern ins Vergessen absinken, wenn du soweit bist, bitte. Aber Chaquie gewährte mir den Wunsch nicht. Sie redete weiter, auch als ich mich hinter meinem Raymond-Carver-Buch versteckte. Ich hatte das zwar nur mitgebracht, weil Luke es mir geschenkt hatte, aber möglicherweise hätte ich es lesen wollen.
    Und als ich mir die (kratzigen, eigentümlich riechenden) Decken über den Kopf zog und so tat, als schliefe ich schon, hörte sie immer noch nicht auf. Ich versuchte, sie zu ignorieren und tiefen Schlaf vorzutäuschen, indem ich regelmäßig atmete, aber sie sagte: »Rachel, Rachel, schläfst du schon?« Als ich nicht antwortete, schüttelte sie mich und sagte in scharfem Ton: »Rachel, SCHLÄFST du schon?«
    Es war schrecklich, vor Erschöpfung und Enttäuschung hätte ich beinahe geweint. Ich hatte das Gefühl, eine dünne Glasplatte zu sein, die jeden Moment unter übermäßigem Druck zerbersten würde. Wenn sie doch nur DIE KLAPPE HALTEN würde!, dachte ich, als heiße Wut durch meine Adern pulsierte.
    So wütend war ich, dass ich in der Dunkelheit geleuchtet hätte, wenn sie bloß das verdammte Licht ausgemacht hätte!
    In dem Moment wollte ich etwas nehmen. Möglichst viel. Ich hätte alles für eine Handvoll Valium gegeben. Oder Schlaftabletten. Oder Heroin. Irgendwas, egal was. Alle Spenden werden dankbar entgegengenommen.
    Ich brauchte Rauschmittel. Und ich war nicht der Meinung, dass die Tatsache, dass ich unter diesen unerträglichen Umständen den sehnsüchtigen Wunsch nach Drogen spürte, mich zu einer Drogensüchtigen machte. Denn ich spürte auch den sehnsüchtigen Wunsch nach einer abgesägten Schrotflinte. Aber deswegen war ich noch lange keine Mörderin. Nicht unter normalen Umständen.
    Um sie und all das Schreckliche auszublenden, versuchte ich, meine Gedanken auf etwas Schönes zu lenken. Und unversehens kreisten sie wieder um Luke.

15
    A ls ich am Morgen nach der ersten Nacht bei Luke aufwachte, hätte ich sterben mögen.
    Es dauerte einen Moment, bevor ich begriff, dass ich nicht in meinem eigenen Bett war. Hmmm, dachte ich zufrieden, die Augen noch geschlossen, mal sehen, in

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