Rachel
kurz gesehen. Von diesem Moment an, war sie nicht mehr fähig, sich auf Jacobs wohlgesetzte Worte zu konzentrieren, denn sie konnte nur noch an Trey denken. Obwohl sie ihn nur einen kurzen Moment angeschaut hatte, hatte sie gesehen, dass er einen eleganten gut sitzenden Anzug mit einem seiner weißen Rüschenhemden trug und dass seine Stiefel auf Hochglanz poliert waren. Seine dunklen Haare waren sauber und in Form gebürstet und zur Feier des Tages hatte er sich sogar rasiert.
Als die Predigt nach gut zwei Stunden zu Ende war, gingen alle ins Freie und standen in Gruppen unter den beiden Schatten spendenden Bäumen zusammen. Die Frauen fächelten sich selbst Luft zu und die Männer fachsimpelten über Pferde und das Wetter. Alle Frauen hatten etwas zu essen mitgebracht, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich war. Die Tische und Bänke im Haus wurden auf ihre Plätze zurückgerückt und die Schüsseln und Platten mit dem Essen auf die Tische gestellt. Es war so viel, dass niemand hungrig würde nach Hause gehen müssen. June war in ihrem Element, als sie all diese Aktivitäten überwachte und koordinierte, so wie vorher Jacob in seinem Element gewesen war, als er mit der Bibel in der Hand vor seiner bunt gemischten Zuhörerschar gestanden und mit seiner sonoren Stimme so überzeugend gepredigt hatte.
Die Kinder, die froh waren endlich nicht mehr still sitzen zu müssen, tobten lachend und kreischend um die ganze Station herum. Nur Christabel war nicht Teil der fröhlichen Schar. Still saß sie abseits auf der Kante eines Stuhles, den ihr jemand in den Schatten des Hauses gestellt hatte, und beobachtete das ausgelassene Treiben mit ausdruckslosen Augen.
Rachel war schon drauf und dran, ihre eigene Regel zu brechen und mit den anderen Kindern zu reden, damit sie Christabel in ihr Spiel einbezogen, als sie sah, wie Trey, der im Kreis der anderen Männer stand, die Hand ausstreckte und Emma festhielt, als sie an ihm vorbeirannte. Er beugte sich zu ihr, sprach mit ihr und deutete mit dem Kopf in Christabels Richtung.
Rachel stand still da und beobachtete, wie Emma langsam zu Christabel ging und sie ansprach. Christabel lächelte, schüttelte dann den Kopf und senkte scheu den Blick.
Aber Emma nahm sie einfach bei der Hand, zog sie hoch und mit sich und schon wenig später - es war wie ein kleines Wunder - gehörte Christabel dazu, auch wenn sie immer ein bisschen am Rand blieb. Das war nur natürlich, denn wegen ihres verkrüppelten Fußes konnte sie oft mit den anderen nicht Schritt halten, obwohl sie sich alle Mühe gab und Emma zu ihr zurücklief, um sie aufzumunte rn .
Rachel schloss einen Moment gerührt die Augen. Sie dachte, sie könnte im Moment kein Wort sprechen - aber zum Glück war ja überhaupt niemand da, mit dem sie hätte reden können.
Aber es war doch jem and ganz in der Nähe. Trey Har greaves stand plötzlich - den Hut in der Hand - neben ihr.
Rachel blinzelte überr ascht. »Guten Tag, Mr. Hargrea ves«, begrüßte sie ihn, wobei ihre Stimme merkwürdig piepsig klang.
Er nickte. »Tag«, sagte er. Er machte zwar ein ernstes Gesicht, aber darunter verbarg sich ein schelmisches Grinsen. Er gab sich alle Mühe, das nicht zu zeigen, aber hin und wieder blitzte es in seinen Augen doch durch. »Heute Abend findet ein Tanz statt«, erklärte er. »Der alte Zeb Prudham hat seine Fiedel mitgebracht.«
Rachels Herz schlug ein wenig schneller, obwohl sie sich gar nicht erklären konnte weshalb. Himmel noch mal, sie hatte früher doch schon getanzt - wenn auch nicht mehr, seit Langdon in den Krieg gezogen war. Sollte er sie also heute Abend zum Tanz aufforde rn , würde sie dankend ablehnen und ihre Füße unterm Tisch stillhalten. »Ja und?«, fragte sie.
Für einen Moment glaubte sie zu sehen, dass Trey leicht errötete, aber sie war nicht ganz sicher, da sein Gesicht von der Sonne tief gebräunt war. »Ich denke mir, dass jeder Mann hier Lust hat, Sie einmal um die Tanzfläche zu wirbeln«, sagte er, wobei ihm jedes einzelne Wort schwer zu fallen schien. »Um des lieben Friedens zwischen uns ... nun ...«Er schaute zur Seite, holte tief Luft und blickte ihr dann entschlossen in die Augen. »Ich möchte der Erste sein. Ich ... äh ... meine, der Erste, der mit Ihnen tanzt.«
Rachel war vollkommen sprachlos. Von allen Männern in und um Springwater herum war Trey der Letzte, von dem sie so eine Bitte erwartet hätte. Sie war doch schließlieh gar nicht sein Typ! Oder? Ihr Herzschlag beschleunigte
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