Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
machte der Mörder kehrt. Er steckte das Fernglas in seinen Rucksack und schritt zurück zu einem Waldweg. Dort hatte er seinen Wagen geparkt. Er schloss ihn auf, stieg hinein und startete den Motor. Während er den Wald langsam verließ, pfiff er vor sich hin.
Ich bin unschlagbar. Das macht mir selbst schon Angst. Keiner kann sich mit mir messen. Dabei wollte ich nie, dass es soweit kommt. Es wurde mir aufgezwungen. Gegen meinen Willen.
Jetzt müssen die Leute nun einmal dafür büßen.
26
Thomas brachte es kaum über sein Herz. Er konnte die Uniklinik nur mit großer Überwindung betreten. Viel zu oft war er in den vergangenen Monaten hier gewesen. Er selbst hatte nach einigen Einsätzen operiert werden müssen. Auch Nora war mehrmals so stark verletzt worden, dass sie in die Klinik eingeliefert wurde. Doch nie zuvor hatte einer von ihnen einen Herzstillstand erlitten. Dieser Punkt bereitete Tommy die größte Sorge. Er wusste nicht, was er zu erwarten hatte. Würde Nora schwerwiegende Schäden davontragen? Oder würde sie wieder ganz auf die Beine kommen? An die dritte Möglichkeit wollte der Kommissar gar nicht erst denken.
Denn sie ist viel zu grauenhaft.
Zögerlich schritt er durch den Eingangsbereich. Er erkundigte sich bei einer Schwester, wo sich Nora derzeit aufhielt. Nachdem sie in ihrem Computer nachgeschaut hatte, sagte sie: „Frau Feldt liegt oben auf der Intensivstation. Sie können dort noch nicht hin.“
„Können Sie mir wenigstens eine Auskunft geben? Wird sie überleben?“
„Leider darf ich Ihnen nichts sagen.“
„Sie werden mir doch wohl mitteilen können, in welchem Zustand sich meine Partnerin befindet“, herrschte Tommy sie an.
„Ich würde es gerne machen, aber das geht nicht. Sie müssen sich an den behandelnden Arzt wenden.“
„Super. Wo finde ich den denn?“
„Er ist momentan im fünften Stock. Fragen Sie dort im Schwesternzimmer nach Doktor Huber.“
„Danke.“ Thomas schritt den Flur entlang und begab sich zu den Fahrstühlen. Als sich die Türen öffneten, stieg er in die erste Kabine und drückte auf den Knopf für die fünfte Etage. Die Fahrt kam ihm endlos lang vor. Sowohl im dritten als auch im vierten Stockwerk hielt der Fahrstuhl an, um neue Passagiere aufzunehmen. Dann endlich konnte Thomas im fünften Stockwerk aussteigen. Prompt verzog er die Nase. An den widerlichen Geruch würde er sich nie gewöhnen können. Was genau war das überhaupt? Eine Mischung aus Desinfektionsmitteln, Salben und Schweiß? Tommy konnte es nicht genau bestimmen. Aber das wollte er auch gar nicht. In diesem Moment wollte er nur so schnell wie möglich mit dem Arzt sprechen. Daher nahm er Kurs auf das Schwesternzimmer und klopfte an die Tür.
„Kann ich Ihnen helfen?“, wollte eine Schwester mit roten Haaren und riesigen Augen wissen.
„Mein Name ist Korn. Mir wurde gesagt, dass ich hier nach einem Doktor Huber fragen soll.“
„Worum geht es genau?“
„Um Nora Feldt. Sie wurde heute Abend eingeliefert.“
„Hm.“ Die Schwester hob die Schultern. „Der Name sagt mir nichts.“
„Sie liegt oben auf der Intensivstation.“
„Ah, okay. Und Doktor Huber hat sie behandelt?“
„Ja. Ich muss wissen, wie es ihr geht.“
„Sind Sie ein Angehöriger?“
„Nein, ich bin ihr Arbeitskollege.“
„Hm“, machte die Schwester wieder. Im gleichen Moment ertönte ein Pinggeräusch. Zwei Zimmer weiter leuchtete eine rote Lampe auf. „Entschuldigen Sie mich. Das ist dringend. Ich werde mich gleich um Sie kümmern.“
Schon war die Schwester verschwunden. Aus Erfahrung wusste Thomas, dass es sehr lange dauern konnte, einen Patienten zu versorgen. Da er nicht so lange warten wollte, sprach er eine dicke Schwester an, die soeben aus dem Treppenhaus kam.
„Dr. Huber? Ist der noch hier?“, fragte die Frau überrascht.
„Ich weiß es nicht. Würden Sie bitte nachschauen?“, bat Tommy sie mit Nachdruck.
„Okay, okay, ich bin schon unterwegs. Arbeite ja erst seit zwölf Stunden. Was soll’s?“ Genervt trat sie an Tommy vorbei und verschwand im Schwesternzimmer. Als sie kurz darauf wieder erschien, hielt sie ein Klemmbrett in der Hand. „Tatsächlich. Er müsste noch hier sein. Einen Augenblick. Ich schaue mal nach.“
Was haben Sie denn gerade gemacht?
Diese Frage lag Thomas auf der Zunge. Aber er schluckte sie herunter. Er wollte auf keinen Fall die Beherrschung verlieren. Schließlich war ihm bewusst, wie stressig der Beruf einer Krankenschwester sein
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