Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
Marlin hochzufrieden, er hat immer die besten Beurteilungen bekommen.«
»Wie lange war er schon dort?«
»Mehr als zwanzig Jahre«, sagte sie. »Davor war er für die Stadt tätig – Strom- und Wasserversorgung –, aber nur ein Jahr, während seiner Ausbildung zum Steuerberater, davor war er Lehrer. Er hat mit behinderten Kindern gearbeitet.«
»Bevor er die Bücher von Happy Boy übernommen hat, hatte er da mal eine Versicherungsgesellschaft als Kunden?«
»Happy Boy war von Anfang an sein Kunde. Das ist eine Riesenkette, Marlin hat alle Hände voll mit ihren Steuern zu tun.«
»Bei der Arbeit gab es also keine Probleme.«
»Warum sollte es da Probleme gegeben haben? Nein, natürlich nicht, mit Marlins Arbeit hat das nichts zu tun. Marlin war der Beste.«
»Und offensichtlich ist Ihr Privatleben auch super.«
»Besser als das«, sagte Belle Quigg. »Es ist … besser geht es einfach nicht.« Ihre Lippen teilten sich. Die Farbe begann ihr wieder aus dem Gesicht zu weichen. »Ich muss es Britt und Sar… Oh Gott, wie soll ich das nur …«
»Wie alt sind sie?«
»Britt ist achtzehn, Sarah zweiundzwanzig.«
»Wohnen sie hier in der Nähe?«
Kopfschütteln. »Britt lebt in Colorado, Sarah in … ich … wie heißt das noch, unterhalb von Colorado …« Ihr Gesicht verzerrte sich. »Es liegt mir auf der Zunge … der Staat …«
»New Mexico«, sagte ich.
»New Mexico. Sie lebt in Gallup, das klingt nach Pferden, jedenfalls hab ich es so in Erinnerung. Sie ist dort, weil ihr Freund in Gallup wohnt, also ist sie auch dorthin gezogen. Früher ist sie Auto gefahren, heute hat sie jede Menge Pferde und reitet nur noch, es ist eine Ranch, eine von diesen Pferde-Ranches. Britt ist nicht verheiratet, ich hoffe, das kommt noch, aber bislang ist sie es nicht, sie lebt in Colorado. In Vail. Sie arbeitet als Kellnerin, und wenn Skisaison ist, hat sie richtig viel zu tun. Sie fährt Ski, Sarah reitet. Sie sind wunderschöne Mädchen – wie soll ich ihnen das bloß beibringen!«
»Wenn Sie wollen, können wir noch bleiben, während Sie anrufen …«
»Nein, nein, Sie rufen an.«
»Sind Sie sicher, Ma’am?«
»Das ist Ihr Job«, sagte Belle Quigg. »Jeder muss seinen Job machen.«
Sie verfiel wieder in dumpfe Starre, während Milo ihre Töchter anrief. Die Telefonate waren kurz und schrecklich, und mit jeder Sekunde schien er mehr in sich zusammenzusinken. Wenn Belle Quigg gelauscht hatte, zeigte sie das nicht.
Milo setzte sich wieder. »Sarah möchte mit Ihnen sprechen, Mrs. Quigg.«
»Britt auch?«
»Britt meldet sich, wenn sie sich wieder gefasst hat.«
»Gefasst«, wiederholte Belle Quigg. »Das klingt gut. Sie konnte sich schon immer gut ausdrücken.«
»Möchten Sie mit Sarah sprechen?«
»Nein, nein, nein, sagen Sie ihr, ich rufe zurück. Ich muss schlafen. Ich muss ganz lange schlafen.«
»Gibt es jemanden, eine Freundin oder Nachbarin, die wir für Sie holen können?«
»Damit sie hier rumsitzt, während ich schlafe?«
»Damit sie Ihnen helfen kann.«
»Mir fehlt aber nichts, ich will nur in Frieden sterben.«
Ich kehrte in die Küche zurück, sah mich nach einem Adressbuch um und fand ein Handy. Ein Blick auf die Liste der letzten Anrufe zeigte mir eine Kurzwahlnummer namens Letty. Ich wählte.
Eine Frau sagte: »Belle?«
Ich sagte: »Ich rufe in Belles Namen an.«
Es dauerte eine Weile, bis sie verstanden hatte, und noch länger, bis sie wieder Luft bekam, doch dann war sie sofort bereit, zu kommen und sich um ihre Freundin zu kümmern.
»Sind Sie in der Nähe?«
»Vielleicht fünf Minuten mit dem Auto entfernt.«
»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Mrs. Pomeroy.«
»Das ist doch selbstverständlich. Marlin ist wirklich …«
»Ich fürchte ja.«
»Unfassbar – wissen Sie schon, wer es war?«
»Noch nicht.«
»Wo ist es passiert?«
»Im Temescal Canyon Park.«
»Wo Marlin immer Louie Gassi geführt hat.«
»Wusste das jeder?«
»Jeder, der Marlin kennt, weiß, dass er gern mit Louie dort spazieren geht. Er musste dort nicht hinter Louie sauber machen, weil es dort so … niemanden gibt, der sich darum schert. Ich meine, offiziell hat er das natürlich trotzdem gemacht, aber … ist denn Louie auch …«
»Louie wird vermisst.«
»Typisch«, sagte Letty Pomeroy. »Schon klar, dass er Marlin nicht beschützt hat.«
»Leicht ablenkbar?«
»Strohdumm.«
»Was für eine Rasse?«
»Ein Golden Retriever. Oder ein Retriever-Mischling. Wahrscheinlich ein Mischling, denn er
Weitere Kostenlose Bücher