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Racheopfer

Racheopfer

Titel: Racheopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Cross
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reichte dem Psychiater sein Gewehr. Dann nahm er die Dienstmütze ab. Schweißnasses rotblondes Haar fiel ihm ins sommersprossige Gesicht.
    Seine Haarfarbe und die helle Haut hatten die Bindung zwischen ihm und seinem Vater verstärkt, einem Mann, der normalerweise distanziert und unfreundlich war, besonders zu seinen fünf Kindern. Doch zwischen Vater und jüngstem Sohn hatte ein anderes Verhältnis bestanden. Ferris vermutete, dass er bei seinem egozentrischen Vater einen Stein im Brett gehabt hatte, weil er als einziges der fünf Ferris-Kinder Ähnlichkeit mit dem Familienpatriarchen besessen hatte. Seine Geschwister hatten das Glück gehabt, den dunklen Teint und das dunkle Haar ihrer italienischstämmigen Mutter zu erben.
    Er strich es mit der Hand glatt und setzte die Mütze wieder auf. Seine Finger waren mit Schweiß und Öl bedeckt. Er rieb sich die Hände an der Uniform ab und fragte sich, wie er zugleich frieren und schwitzen konnte.
    »Okay«, sagte er und nahm die Waffe von Kendrick zurück, der sie auf Armeslänge von sich gehalten hatte, als stammte sie aus einer fremden Welt und könnte ihn irgendwie kontaminieren.
    Als sie weitergingen, sagte Kendrick: »Zuletzt bin ich als Kind hier unten gewesen. Ich bekam immer Albträume von diesem Kellergewölbe. Als ich sieben oder acht war, bat mich mein Vater, ein paar Laken aus dem Lagerraum am anderen Ende des Kellers zu holen. Er hatte nur leider vergessen, mich zu erinnern, dass die Tür sich von selbst verriegelte, wenn man sie ins Schloss fallen ließ. Drei Stunden habe ich dort mit den Gespenstern verbracht, ehe er mich vermisst hat und nach mir suchte. Das Komische daran ist, dass genau für diesen Fall gleich neben der Tür ein Schlüssel hing. Ich hatte ihn sogar schon gesehen, ich wusste, dass es ihn gab. Aber die Angst beeinträchtigt das Denken auf ihre ganz eigene Art.« Kendrick stieß ein nervöses, abgehacktes Lachen hervor.
    Ferris gab keine Antwort, sondern hielt den Blick auf den Weg vor ihnen gerichtet. Er hoffte, dass sein Chef nicht mit noch einer Geschichte aufwartete. Wäre es jemand anders gewesen als Kendrick, hätte er ihn aufgefordert, den Mund zu halten.
    Der Strahl der Taschenlampe erhellte zwar ihre unmittelbare Umgebung, durchdrang aber nicht die Finsternis in der Tiefe des Gangs. Ferris leuchtete in den nächsten Raum. Der Strahl tanzte wild auf und ab, als er die Ecken und Winkel absuchte. Ein alter Untersuchungstisch aus Stahl und ein umgeworfener Stuhl lagen an einer Wand im Wasser - ansonsten war der Raum leer bis auf Rost, Schimmel und einen muffigen Geruch.
    Das Platschen von Wasser aus dem Nebenraum erweckte Ferris’ Aufmerksamkeit.
    Er schwenkte die Waffe in die Richtung. Einen Augenblick glaubte er, etwas zu hören, doch das Geräusch war gleich wieder verstummt. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet.
    Er hielt den Atem an, lauschte angespannt auf einen Laut, eine Bewegung.
    »Das erinnert mich daran«, sagte Kendrick, »wie mein Vater mich mal zum Fliegenfischen mitgenommen hat. Wir sind zu diesem …«
    Ferris riss den Kopf zu dem Psychiater herum. »Nehmen Sie es mir nicht übel, Sir, aber würden Sie die Klappe halten, ehe Sie uns beide umbringen?«
    Augenblicklich bereute er seine Worte. Sie waren schärfer als beabsichtigt, doch seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er rechnete damit, dass Kendrick beleidigt oder empört reagierte, doch das Gegenteil war der Fall. Er senkte den Blick und sagte kleinlaut: »Tut mir leid. Ich neige zum Schwafeln, wenn ich nervös bin oder Angst habe.«
    Erneut bedauerte Ferris seine Schroffheit. Sein Chef fürchtete sich genauso wie er, vielleicht sogar noch mehr. Schließlich war er, Ferris, für Situationen wie diese ausgebildet. Kendrick hingegen war hier völlig fehl am Platze.
    Ferris legte dem Psychiater die Hand auf die Schulter. »Keine Sorge, alles wird …«
    Wieder das Geräusch.
    Mit zitternden Händen richtete er das Gewehr nach vorn und bewegte sich voran.

24
    Tief im behaglichen Kokon der Finsternis kauerte Ackerman im Wasser und wartete auf seine Beute. Er hatte sich gerade in den Wald davonmachen wollen, als zwei Wärter und der gute Doktor durch den Ausgang hereingekommen waren. Seine Jäger verhielten sich ungefähr so leise wie ein Stier, den man unter Aufputschmittel gesetzt hatte. Ackerman hatte mit dem Gedanken gespielt, sie zu überrumpeln, doch ein Angriff wäre unüberlegt, und er fürchtete einen Glückstreffer aus einem der

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