Radio Miracoli und andere italienische Wunder
ihre SMS an, wenn die Handys eingeschaltet sind, und achte darauf, wie sie schreiben. Dann nimmst du hier einen Baustein und dort einen und bastelst daraus einen Satz, der so klingt wie der, den wir eben beschlossen haben«, sagt Sergio zu mir.
Die Aufgabe, die mir wie eine Auszeichnung übertragen wird, lässt mich vergessen, dass ich noch vor einer Sekunde hektisch nach einer Ausrede gesucht habe, um die Fahrt nicht mitmachen zu müssen.
»Klar, kannst dich auf mich verlassen«, antworte ich.
»Ich komme auch mit. Dann sind wir auf der sicheren Seite«, sagt Fausto und verdirbt mir damit gründlich diesen Augenblick persönlichen Ruhms.
30
Wir werden zwar nur einen Tag unterwegs sein, aber ich habe trotzdem einen kleinen Rucksack gepackt. Wie immer habe ich alles Nötige dabei: eine Packung Papiertaschentücher, Labello, Kopfschmerztabletten, einen Schirm und ein leichtes Sweatshirt. Das ist meine unfehlbare Methode, um sicherzustellen, dass ich nichts davon brauchen werde. Weder Regen noch Kälte noch Kopfschmerzen werden mich behelligen. Auf dem Gang treffe ich Fausto, und gemeinsam gehen wir in die Küche hinunter. Es ist vier Uhr morgens, und uns bleiben nur ein paar Minuten zum Frühstücken. Ich koche den Kaffee, während Fausto sich an den Tisch setzt, ohne daran zu denken, die Tassen herauszustellen. An der Tür erscheint plötzlich Claudio.
»Ah, ah, ah!«, ruft er und klatscht theatralisch in die Hände.
Da ich um diese Uhrzeit zu ausführlicher Kommunikation noch nicht fähig bin, beschränke ich mich auf ein Grunzen.
»Bravo. Da haben wir uns aber einen schönen Scherz erlaubt!«, fährt Claudio fort.
»Wieso? Was ist?«, frage ich.
»Der Schlaumeier, der das verbrochen hat, geht jetzt sofort hinüber und stellt die Sender wieder ein. Ich muss euch wohl nicht daran erinnern, dass der Fernseher für alle da ist!«
»Aber wer hat denn deinem Fernseher was angetan!«, rufe ich.
»Siehst du«, sagt Fausto und dreht sich zu mir um. »Kaum ist er wach, hat er nichts anderes im Sinn als die nächste Nachrichtensendung! Der Typ ist ein Junkie. Der braucht seine tägliche Dosis Gift!«
»Aha, da ist ja unser Schlaumeier. Jetzt hör mir mal zu, du Westentaschentherapeut. Du gehst jetzt sofort da rüber und stellst die Sender wieder ein!«
»Nein, nein, ich werde mich hüten.«
Um zu vermeiden, dass Claudio sich in unserer Abwesenheit wieder alle Nachrichtensendungen zu Gemüte führt, hat Fausto die wichtigsten Sender blockiert und dafür die Porno- und Erotikkanäle freigeschaltet. Ich muss gestehen, es ist eine ziemlich beängstigende Erfahrung, sich nun durch das Programm zu zappen. Früher hieß es: Kochsendung, Dokumentation, alter Fernsehfilm, Klatschsendung, uralter Fernsehfilm, Nachrichten, Film mit Totò. Jetzt sieht die Reihenfolge so aus: Striptease, Rudelbumsen, lesbische Wasserspiele, Rudelbumsen Vintage, Sadomaso, Bondage, Rudelbumsen Multikulti.
»Wir sollten das wirklich so lassen«, erklärt Fausto mir.
»Ach nein, das ist vielleicht ein bisschen heftig. Wir könnten doch auch nur Dokumentarsender freischalten«, schlage ich vor.
»Ja, klar. Das ist genauso, als würdest du einen Kokainabhängigen mit Kamillentee heilen wollen!«
Fausto nimmt mir die Fernbedienung aus der Hand und dreht die Lautstärke auf
»Das muss man laut hören!«
Claudio kramt derweil in der Ablage unter dem Apparat und holt das Handbuch für die Programmierung der Sender hervor.
»Dann kümmere ich mich eben selbst darum, alles wieder richtig einzustellen«, sagt er.
Hektisch blättert er in dem Büchlein auf der Suche nach der italienischen Version. Das dauert eine Weile, denn aufgrund des Ansehens, das wir international genießen, kommen wir erst ganz zum Schluss, erst nach dem Arabischen und dem Koreanischen.
»Würde mich interessieren, wie er das ohne das hier schaffen will«, flüstert Fausto mir zu und schiebt die Fernbedienung in meinen Rucksack.
»Für die manuelle Suche der Kanäle … im Menü Programmieren auswählen und Vorlauf drücken, häh?«, liest Claudio aus dem Handbuch vor.
Sergio kommt aus dem ersten Stock herunter, starrt erschrocken auf das Knäuel aus Schenkeln und Titten und stellt sich neben mich.
»Was treibt ihr hier eigentlich für einen Scheiß?«
»Nichts … das ist die Anti-Nachrichten-Therapie für Claudio«, erkläre ich.
»Ah«, sagt er, »bravo.« Und dann geht er wieder.
31
Wir sind einfach losgefahren, ohne genau zu wissen, wohin. Ich habe Fausto
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