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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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niemanden. Ich weiß nichts, und ich kann nichts beweisen – ich kann nur verdächtigen.«
    Imhotep hob den Kopf.
    »Wen verdächtigst du?«
    Esa antwortete langsam: »Drei Menschen habe ich verdächtigt. Ich will ehrlich sein. Zuerst richtete mein Verdacht sich gegen Ipy, aber Ipy ist tot – dieser Verdacht war also falsch. Dann habe ich eine andere Person verdächtigt, aber am Tag von Ipys Tod ist mir ein dritter Gedanke gekommen…«
    Sie machte eine Pause. Dann fragte sie: »Sind Hori und Kameni im Haus?«
    »Ja«, erwiderte Imhotep.
    »Lass sie herkommen – ja, und auch Renisenb aus der Küche. Und Kait und Yahmose. Ich habe etwas zu sagen, das alle hören sollen.«
     
    Esa betrachtete die versammelten Familienmitglieder – eines nach dem anderen. Sie begegnete Yahmoses ernstem und freundlichem Blick, Kamenis breitem Lächeln, der erschrockenen Frage in Renisenbs Augen, Kaits friedlichem Ausdruck, der nicht die geringste Neugier verriet, der ruhigen Undurchdringlichkeit auf Horis nachdenklichem Gesicht, Imhoteps gereizter Furcht, die sich in einem Zucken der Wangenmuskeln kundtat, und der gierigen Neugier, ja, dem boshaften Vergnügen in Henets Miene.
    Sie dachte: Ihre Gesichter sagen nichts. Sie zeigen nur äußerliche Bewegung. Wenn ich mich aber nicht irre, muss es etwas Verräterisches geben.
    Laut begann sie. »Ich habe euch allen etwas mitzuteilen, doch zuerst will ich nur zu Henet sprechen, hier vor euch allen.«
    Henets Ausdruck änderte sich; Neugier und Vergnügen wichen einem jähen Schrecken. Ihre Stimme erhob sich in schrillem Einspruch.
    »Du verdächtigst mich, Esa, ich weiß es! Du willst Anklage erheben gegen mich, und wie soll ich, ein schwaches Weib, mich verteidigen? Ich werde ungehört verurteilt werden!«
    »Nicht ungehört«, entgegnete Esa spöttisch, und sie sah Hori lächeln.
    Immer erregter fuhr Henet fort: »Ich habe nichts getan, ich bin unschuldig… Imhotep, mein teurer Herr, rette mich!«
    Sie warf sich nieder und umklammerte Imhoteps Beine.
    Imhotep murmelte verlegen, während er Henet den Kopf tätschelte: »Wirklich, Esa, das ist ungerecht.«
    Esa schnitt ihm die Rede kurz ab: »Ich habe keine Anklage erhoben. Ohne Beweise klage ich niemanden an. Henet soll hier nur die Bedeutung von manchen Dingen erklären, die sie geäußert hat.«
    »Ich habe nichts gesagt, gar nichts…«
    »O doch, ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Du hast gesagt, du wüsstest etwas von Hori. Was ist es also?«
    Hori machte ein leicht erstauntes Gesicht.
    »Ja, Henet, lass uns hören, was du von mir weißt.«
    Henet hockte sich auf den Boden und wischte sich die Augen. Sie sah finster und trotzig aus.
    »Ich weiß nichts. Was sollte ich denn wissen?«
    »Das möchten wir eben erfahren«, gab Hori zurück.
    Henet zuckte die Schultern.
    »Ich habe da nur so dahergeredet. Ich meinte gar nichts.«
    Esa mischte sich wieder ein: »Du sagtest, dass wir alle dich verachten, dass du aber mehr wüsstest über die Dinge, die hier im Hause vor sich gehen, als viele glaubten. Und dann sagtest du, Hori hätte an dir vorbeigeschaut, als ob du überhaupt nicht vorhanden wärst, als ob er hinter dir etwas erblickt hätte.«
    »So schaut er immer«, erwiderte Henet finster. »Ich könnte ein Insekt sein, so sieht er mich an.«
    »Mir sind deine Worte im Gedächtnis geblieben«, fuhr Esa fort. »Und dann sprachst du von Satipy, ja, von Satipy und ihrer Klugheit, und du sagtest: Und wo ist Satipy jetzt?« Esa blickte ringsum. »Hat das einen Sinn für euch? Denkt an Satipy, die tot ist… und bedenkt, dass man einen Menschen ansehen soll, nicht etwas, das nicht da ist.«
    Einen Augenblick herrschte tödliches Schweigen, dann stieß Henet einen jähen Entsetzensschrei aus. Zusammenhanglos rief sie: »Ich habe es nicht getan! Rette mich, Herr! Lass es nicht zu… Ich habe nichts gesagt, gar nichts!«
    Imhoteps aufgespeicherter Zorn machte sich Luft: »Das ist unverzeihlich! Ich will nicht, dass dieses arme Weib beschuldigt und geängstigt wird. Was hast du gegen sie, Esa? Nach deinen eigenen Worten liegt nichts gegen sie vor.«
    Yahmose stimmte wie üblich zu: »Mein Vater hat Recht. Wenn du wirklich eine Anklage gegen Henet vorzubringen hast, so nenne sie.«
    »Ich klage sie nicht an«, sagte Esa langsam. Sie stützte sich auf ihren Stock. Ihre Gestalt schien zusammengesunken zu sein.
    Yahmose wandte sich mit Würde an Henet: »Esa beschuldigt dich nicht, das Böse, das uns widerfahren ist, verursacht zu haben, aber

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