Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)

Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition)

Titel: Rätsel des Nordens (Thenasia) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Grömmer
Vom Netzwerk:
weiteres Mal ließ er das Horn
ertönen. Dann fuhr er fort: „Heda! Ihr!“ Bhelm zeigte auf einen etwas abseits
ruhenden jungen Mann. „Eure Beine sind noch sehr jung. Greift einen Dolch der
erschlagenen Feinde und überbringt ihm dem König. Teilt Meister Regnir mit,
dass die Vorhut angegriffen wurde, aber dennoch siegreich geblieben ist!“
    Mit diesen Worten betraute er den
einfachen Milizionär mit einem Botenauftrag. Der junge Mann salutierte und
widmete sich der zugeteilten Aufgabe. Mit dem ersten Licht kam auch schnell
Ernüchterung über die im Angesicht des Triumphes euphorisierten Soldaten, denn
groß waren die Verluste gewesen, die die Orks der Vorhut durch den
Überraschungsangriff zugefügt hatten. Ein nicht geringer Teil des Lagers war
verwüstet worden und etwa einhundert Tote waren zu beklagen.
    Da begannen einige der Männer zu
murren, da es Bhelm gewesen war, der die Wachen in der Nacht zuvor nicht
verstärkt hatte und es war auch Bhelm gewesen, der mit der Einschätzung der
Sicherheitslage an den Vortagen nicht falscher hätte liegen können. Jedoch
trieben den Heerführer ganz andere Gedanken um, als sich den Anschuldigungen über
die eigene Schuld auszusetzen, weil jener Teil der Vorhut, in dem sein Sohn
Thelmon gekämpft hatte, war nicht auffindbar. Lange hatte der Kommandant
gesucht, bis er am nördlichen Rand des Lagers einen sterbenden Soldaten
auffand, der sich an den Fuß einer nahestehenden Buche geschleppt hatte und nun
darauf wartete, dass Manus ihn zu sich holte.
    Bhelm näherte sich ihm mit
gezogener Klinge. Nach allem, was geschehen war, wäre er nicht überrascht
gewesen, würde ein Ork aus dem Hinterhalt auf ihn zustürmen. Vorsichtig blickte
er sich um, doch fand er keine Bedrohung in der unmittelbaren Umgebung, sodass
er sich neben den zu Tode Verletzten niederkniete, als dieser zu sprechen
begann:
    „Kommandant … Meister Bhelm.“ Er
hustete kurz und hielt sich seine linke Seite, aus der er stark blutete. Dann
fuhr er mit schwacher Stimme fort: „Heerführer. Die Orks … sie haben uns
überrannt … sie kamen in Scharen aus dem … Lager … Sie waren so zahlreich.
Viele … viele von uns haben … haben sie erschlagen, …“ Wieder hustete der
Sterbende. Anschließend blickte er ein letztes Mal in Bhelms Gesicht, in dem
sich bereits die Zeichen einer dunklen Vorahnung ausbreiteten. „Kommandant –
Euer Sohn wurde mit einigen anderen verschleppt … Nach Norden … vor etwa einer
Stunde … Gerade aus … Immer gerade aus …“
    Der Soldat tat noch ein paar
hektische Atemzüge und verstummte dann für immer. Wie von einem Schlag betäubt,
verlor Bhelm angesichts dieser schwarzen Nachrichten den Verstand. Sein Geist
arbeitete unter dem rasenden Puls seines Herzens. Verschleppt! Es ward die
härteste Kunde, die er je in seinem Leben erhalten hatte: Nicht eine Sekunde
würde er mehr verweilen, nicht, solange noch Hoffnung bestand, Thelmon aus den
Klauen des Feindes zu befreien. Und so fasste Bhelm kurzerhand einen Entschluss:
Er stieß erneut in sein Horn, um alle Männer des Lagers ein weiteres Mal zu
versammeln.
    Mit flammenden Worten über die
Bosheit der Orks und über das Leiden eines seines Kindes beraubten Vaters,
entzündete Bhelm die Herzen der ihn umgebenden Soldaten. Kurz, aber intensiv
war seine Ansprache gewesen und jene, deren Leben er selbst zuvor auf so
unachtsame Weise gefährdet hatte, vertrauten jetzt blind dem Reden ihres
Kommandanten und folgten ihm aus der bestandenen Feuerprobe heraus in ein nicht
zu gewinnendes Unterfangen. Ohne auch eine weitere Minute zu verlieren,
schickten sich die verbliebenen vierhundert Männer der Vorhut an, einen
vermeintlich geschlagenen Feind zu verfolgen.
    Allerdings lag dem eigenmächtigen
Losschlagen Bhelms lediglich der Zorn, keineswegs etwa ein Schlachtplan
zugrunde. Er zog mit seiner kleinen Schar gegen einen Gegner ins Feld, der noch
weit über eintausend Kopf stark war. Niemand erhob an diesem Tag Einspruch, und
selbst wenn es jemand gewagt hätte, dem Wahnsinn Einhalt gebieten zu wollen, so
wäre er gescheitert, da die grenzenlose Raserei Besitz vom Geist des
Heerführers ergriffen hatte.
    Von all jenem Geschehen nahmen
Regnir und Thormir erst dann Notiz, als der von Bhelm entsandte Bote eintraf.
Beide Männer wirkten erschöpft. Sie standen über eine Karte gebeugt und
berieten das weitere Vorgehen. Gleichfalls erweckte die Situation den Anschein,
dass ein kleiner Zwist erst kurze Zeit vorher stattgefunden

Weitere Kostenlose Bücher