Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
großzügig geschnittenen Beine seiner Lederhose hindurchrutschen würde. Nackt aber wollte der Alpenmensch nicht einmal vor dem Herrgott dastehen.
»Sie müssen uns helfen, Herr … Hannes«, bekniete auch Anne den Mann vor sich, der nun ihren Körpergeruch deutlich wahrnehmen konnte. Die Polizistin duftete so betörend, dass ihm ganz schwindlig wurde, und weil er vor ihr nicht wie ein Schwachbeutel dastehen wollte, legte er den Deckel auf die Styroporkiste und setzte sich entschlossenen Schritts in Richtung des Angestellteneingangs der Bank in Bewegung.
Gespannt beobachteten die Ermittler aus der Ferne, wie der Hannes vom Bräustüberl die Kiste vor dem Eingang abstellte, die Türklingel betätigte, ein kurzes Gespräch über die Gegensprechanlage führte und wieder zu ihnen zurückkam. Er stellte sich neben Anne, holte noch einmal tief Luft und beobachtete gemeinsam mit den anderen, wie bald darauf die Tür aufging, zwei Hände die Styroporkiste umgriffen und sie hineinzogen.
»Irene Heigelmoser«, kommentierte Sepp Kastner.
»Ich brauch jetzt erst einmal eine Zigarette«, meinte der Hannes und bot Anne auch eine an, die aber ablehnte.
»Aber ich mag eine«, preschte Sepp Kastner vor, der Annes Wirkung auf diesen Bräustüberl-Hannes registriert hatte.
»Seppi? Du? Rauchst?«, fragte Anne erstaunt. Dann kiekste sie, was in den vergangenen drei Jahren, seit sie an den See gezogen war, in der Dienststelle noch selten jemand gehört hatte.
Doch auch Kastners verborgenes Laster blieb an diesem Tag, dem Qualm einer Zigarette gleich, über dem Luftraum des Parkplatzes stehen, ohne ausdiskutiert zu werden, denn just in diesem Moment sicherte sich der glänzende Wagen eines weltweit bekannten Münchner Feinkosthändlers elegant eine der wenigen noch freien Parkbuchten auf dem Bankparkplatz.
»Der Dollhuber!«, entfuhr es Kurt Nonnenmacher. »Ja, was will denn der jetzt hier?«
Ehe der Feinkostlieferant mit zwei großen geflochtenen Körben an den Beamten vorbei zum Haupteingang der Bank entschwinden konnte, hatten sich Anne, Sepp Kastner und Sebastian Schönwetter ihm bereits in den Weg gestellt.
»Was machen Sie hier?«, fragte Anne. Es klang für ihre Verhältnisse reichlich aggressiv. Ihre Uniformjacke trug sie längst nicht mehr, und unter ihren Armen konnte man unfeine Schweißflecken ausmachen.
»Meine Arbeit.« Der Lieferant blieb stehen und musterte die drei ihm Gegenüberstehenden, von denen der Kripomann Schönwetter nicht eindeutig als Polizist erkennbar war, weil er keine Uniform trug.
»Gehe ich recht in der Annahme«, begann Anne reichlich gestelzt, »dass Sie diese beiden Essenskörbe hier in die Bank bringen wollen?«
»Ja, das ist mein Job«, meinte der Dollhuber-Mitarbeiter mit der freundlichen Arroganz eines Mannes, der ausschließlich mit exquisiten Delikatessen und oft auch mit feinen Leuten zu tun hatte. Zwar waren manche Kunden, insbesondere Computermillionäre, Fernsehschwätzer, Autohändler und Fußballspieler gelegentlich auch proletarisch veranlagt, aber insgesamt bestand die Dollhuber-Kundschaft doch aus Menschen mit Geschmack und Benimm.
Mittlerweile war auch Kurt Nonnenmacher zu der Truppe gestoßen, er hatte sich noch eben eine Brotzeitdose voller Reis genehmigt, die seine Gattin Helga ihm jeden Tag zubereitete, denn das Diätrezept, das sie vor Jahren in den Untiefen einer bekannten Frauenzeitschrift entdeckt hatte, war noch immer das probateste Mittel, um den Geräuschen beizukommen, die sein nervöser Magen in den unmöglichsten Situationen absonderte.
»So, was haben wir denn jetzt da?«, wollte der Inspektionsleiter wissen.
Eingeschüchtert blickte der Feinkostlieferant den großen und bärtigen Polizisten an.
Mit dem erfahrenen Blick des Gourmets tastete Nonnenmacher das erlesene Warensortiment in den Körben ab, aus dem vier Baguettes herausschauten wie Angelruten aus einem Fischerboot. Dann jedoch griff er sich mit abschätzigem Blick eine Packung heraus: »Räucherlachs aus Irland.« Der Dienststellenleiter schüttelte den Kopf. »Für was fährst du denn Räucherlachs aus Irland hierher an unsern See? Mir haben hier doch selbst ganz wunderbare geräucherte Fische!«
Der Feinkostlieferant schwieg betreten.
»Hergestellt mit feinstem Salz aus Israel«, las Nonnenmacher vor. »Ja, bist du damisch! Warum nehmt’s ihr Deppen denn kein bayerisches Salz? Ha? In Bad Reichenhall macht man seit einem halben Jahrhundert Salz. So lang gibt’s Israel wahrscheins noch gar
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