Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
schickten die beiden und auch Dr. Henrike Klamm nach Hause, Hobelberger fuhr mit Nonnenmacher in die Dienststelle zurück. Dann warteten sie ab, was weiter geschehen würde.
Doch die Stunden vergingen und nichts passierte. Kein weiterer Anruf der Bankräuber. Äußerst ungewöhnlich, wie Anne und ihr Kollege fanden.
Als es bereits früher Abend war, kam eine aufgeregte grauhaarige Frau auf die Polizeihauptmeisterin zugestürmt: Erleichtert sei sie, hier die Polizei anzutreffen, es sei nämlich etwas Schreckliches passiert.
Anne erfuhr, dass die Dame als Pflegerin im hiesigen Altenheim arbeitete. Und aus dem sei einer der Insassen verschwunden. Anne gab sich alle Mühe, die Frau in den Gesundheitsschuhen zu beruhigen, doch diese ließ nicht locker.
»Unser Herr Gräber ist nämlich dement. Der weiß oft nicht, was er tut. Einmal hat unser Herr Gräber sogar eine junge Russin geheiratet«, keuchte die Pflegemitarbeiterin. Anne wollte schon sagen, dass es weitaus Schlimmeres gäbe, was demente Menschen anrichten konnten, aber dann stutzte sie.
»Wie heißt der Mann?«
»Gräber. Dieter Gräber. Er ist achtundsiebzig Jahre alt und hat nicht mehr so ganz … also, wie soll ich sagen … ähm …« Sie räusperte sich. »Also, unser Herr Gräber ist von seinem Zustand her schon sehr dement.«
»Gut«, sagte Anne ernst. »Ich weiß, wo Herr Gräber ist.«
»Ach, dem Herrgott sei Dank!«, seufzte die Pflegerin.
»Da bin ich mir jetzt nicht sicher, ob Sie dem Herrgott dankbar sein sollten.«
Die Altenpflegerin fixierte Anne mit dem Blick eines verschreckten Rehs. »Aber warum? Bei der bayerischen Polizei ist er doch in besten Händen!«
»Er ist nicht in unseren Händen«, erwiderte Anne bestimmt. »Er ist da drin.« Sie zeigte auf das Bankgebäude.
»Beim Leibhaftigen!«, stieß die Pflegerin hervor. »Drehen die ihm wieder irgendeine Ausbildungsversicherung für Enkelkinder an, die er gar nicht hat? Oder einen Bausparvertrag, obwohl er doch schon bald achtzig wird?«
»Es ist noch schlimmer«, brachte sich Sepp Kastner mit Ernst in den Dialog ein. »Ihr Herr Gräber ist unfreiwillig da drin. Als Geisel nämlich.«
»Nein!«
»Doch.«
»Aber der Herr Gräber braucht seine Medikamente, sonst tickt der völlig aus.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Anne vorsichtig.
»Er verliert jedes Gefühl für sich und seine Umwelt, weiß nicht mehr, wer er ist und was er tut. Einmal ist er ins Zimmer unserer Ärztin eingedrungen, hat sich ausgezogen«, das Gesicht der Pflegerin verzerrte sich vor Entsetzen, »… und ihre Unterwäsche angezogen. Rote Unterwäsche, stellen Sie sich das mal vor! Als Ärztin! In diesem Aufzug ist unser Herr Gräber dann zum See gelaufen, hat ein Motorboot gestohlen und ist damit an den Dampfersteg, da beim Gulbransson-Museum, gefahren und hat Urlauber zu einer Spritztour eingeladen.«
»Und? Ist da jemand mitgefahren?«, erkundigte sich Sepp Kastner interessiert.
»Ja, eine Gruppe betrunkener junger Männer aus Thüringen.«
»Gut, und wie ist die Sache ausgegangen?« Anne wollte die Pflegerin schnellstmöglich loswerden.
»Der Mann von unserer Ärztin ist auch Arzt. Der hat eine Jacht. Der hat ihn und die jungen Männer eingefangen. Das war eine Katastrophe!«
»Aber warum, ist doch alles gut ausgegangen«, meinte Anne genervt.
»Nein, im Gegenteil, die Folge war: Scheidung!«
»Ich dachte, Herr Gräber sei alleinstehend?«
»Der schon, aber nicht der Herr Doktor. Wie der Herr Doktor erfahren hat, dass die rote Wäsche von der Frau Doktor ist, hat er sich scheiden lassen. Weil, hat er gesagt, ›diese rote Wäsche habe ich noch nie zu Gesicht bekommen‹.«
»Na sauber«, meinte Sepp Kastner. »Und jetzt ist der Herr Gräber eine Geisel. Das kann ja was werden.«
Damit war auch der letzte Rest Geduld bei Anne an diesem verrückten Montag aufgebraucht. »Also, ich muss jetzt wirklich heim, Seppi. Vielleicht erledigst du mit Frau … dieser Frau hier den Rest.« Zu der aufgelösten Pflegerin sagte sie: »Wissen Sie, ich habe eine Tochter, und die ist gerade allein zu Hause. Ich muss jetzt wirklich …«
»Ja, um Himmels willen! Das arme Kind! Das geht doch nicht! In diesen Zeiten …« Den Rest hörte Anne nicht mehr, sie war schon davongeeilt.
Auf dem Nachhauseweg rief sie noch Kurt Nonnenmacher an und bat ihn, ein Dutzend Polizisten herbeizuordern, die im Schichtbetrieb vor dem Bankgebäude Wache schieben sollten. Als Nonnenmacher einwandte, dass das aber für reichlich Aufruhr
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