Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Friesenlied.«
»Außer was mit Möwen habe ich nichts verstanden. Aber die passen auch zu unserem Bergsee.«
»Stimmt. Aber jetzt musst du ins Bett. Es ist schon spät. Geh jetzt bitte Zähne putzen.«
»Aber du musst mir doch die Zähne putzen.«
»Ich finde, mit acht bist du groß genug, dir die Zähne selbst zu putzen.«
»Aber die Zahnärztin hat gesagt, dass du mir die Zähne putzen sollst. Zweimal am Tag. Und Zahnseide machen. Und einmal pro Woche dieses Gel auf die Zähne, und das muss dann drei Minuten einwirken und …«
»Ja!«, sagte Anne laut. »Du hast ja recht.« Es stimmte tatsächlich, dass die Zahnärztin dieses ausufernde Zahnpflegeprogramm angeordnet hatte. Aber Anne war müde. Der Tag war anstrengend gewesen. Und Anne hatte keine Lust auf Zähneputzen. Hatte sie sich als Kind die Zähne nicht auch stets selbst geputzt? Wieso ging das heute nicht mehr? Warum wurde Eltern immer mehr abverlangt, obwohl es immer weniger Kinder gab?
Während sie lustlos Zahnpasta auf Lisas Bürste strich und zu putzen begann, dachte sie noch einmal an die Geiseln in der Bank und ihre Entführer. Sie hatte mit Sepp Kastner vereinbart, dass er die Nacht über dortbleiben sollte. Für ihn war das leichter, weil er keine Familie hatte, außer seiner Mutter. Ihr Handy, das nun als Kontakthandy zu den Bankräubern diente, hatte Anne ihm dagelassen. Er würde sie sofort anrufen, wenn sich etwas ereignen sollte.
Nachdem Anne Lisa ins Bett gebracht, ihr eine Geschichte vorgelesen und ihr noch einmal über die Haare gestrichen hatte, rief sie bei Sepp Kastner an. Er teilte ihr mit, dass alles ruhig geblieben sei. In den oberen Fenstern der Bank brenne noch Licht. Aber die Geiselnehmer hätten sich nicht mehr zu Wort gemeldet.
Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, ging Anne in die Küche, um sich einen weiteren Hugo zu mischen. Mit dem nach Minze duftenden Getränk setzte sie sich an den Computer und fuhr ihn hoch. Was war im Internet über das Phänomen Bankraub zu finden?
Zunächst stieß die Polizeihauptmeisterin auf einen ziemlich aktuellen Artikel, in dem eine wissenschaftliche Studie über die Ökonomie des Bankraubs zitiert wurde. Danach hatten zwei englische Finanzexperten errechnet, dass das Delikt Bankraub seine Täter im seltensten Fall reich machte. Ein durchschnittlicher Überfall erbrachte in England nur etwa fünfundzwanzigtausend Euro. In Amerika sogar nur knapp viertausend Euro. Und die Wissenschaftler schrieben auch, dass die meisten Bankräuber völlig stümperhaft vorgingen, die Banken nicht klug auswählten, deren Sicherungssysteme vorab nicht kritisch überprüften und auch die Nähe zur nächsten Polizeidienststelle oft gar nicht berücksichtigten. Zudem wurden die meisten Täter bereits nach ihrem vierten Überfall gefasst.
Das hilft uns nun auch nichts, dachte sich Anne und surfte weiter. Auf einer anderen Website fand sie eine Abhandlung über die Geschichte des Bankraubs. Danach waren Bankräuber vor allem in der Zeit der ersten Automobile erfolgreich gewesen, weil die meisten Polizeidienststellen zunächst noch nicht über Autos oder Motorräder verfügten und die Bankräuber mit ihren Gefährten damit im Vorteil waren.
Doch den Bankräubern, die in der nördlichen Seegemeinde festsaßen, war der Fluchtweg ohnehin versperrt. Selbst wenn sie irgendwann ein Fluchtauto forderten, weit würden sie nicht kommen. Anne war sich sicher, dass man die Verbrecher festnehmen würde. Die Frage war nur, ob dies gelingen konnte, ohne die Geiseln zu verletzen.
Dann stieß Anne auf eine Seite in einem sozialen Netzwerk, deren Inhalte sie elektrisierten. Was hier gepostet wurde, war nicht zu fassen. Die Seite »Anonymous Bankräuber« zeigte Bilder, auf denen der Bahnhof der nördlichen Seegemeinde zu sehen war. Von der Perspektive her konnten die Fotos nur von dem Bankgebäude aus geschossen worden sein. Anne spürte, wie ihr vor Aufregung ganz heiß wurde. Hastig nahm sie einen Schluck aus dem Glas mit dem Hugo.
Auf der Seite konnte man auch ein Videoblog anklicken. Der kurze Film, der hierauf startete, zeigte einen jungen Mann und eine junge Frau, die erklärten, sie seien Angehörige des Kollektivs »Anonymous Bankräuber« und hätten heute eine Bank in Bayern überfallen. Ihre Absicht sei es, Geld für ihre Ziele zu sammeln. Leider habe der Überfall nicht ganz so geklappt wie geplant. Sie seien zwar erfolgreich in die Bank eingedrungen und hätten einige Geiseln unter ihre Kontrolle gebracht,
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