Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
wo.«
»Das gibt’s doch nicht! Kennen Sie nicht diese Occupy-Masken, die die Protestierenden jetzt überall tragen? Diese Guy-Fawkes-Masken, weißes Gesicht mit schwarzem Bart und schwarzen Augenbrauen?«
»Ja, kann schon sein …« Der Inspektionschef machte eine Pause. »Diese Kaschperl-Larven halt.« Er schwieg einen Augenblick. »Aber was haben mir mit diesen Kaschperln zu tun? Die machen ihre Demonstrationen doch vor allem in großen Städten, in London, New York und Frankfurt und so. Haben’s die nicht vor allem auf Banken abgesehen?«
»Tja, na klar, aber womit haben wir es denn bei uns zu tun?«
»Na ja, jedenfalls nicht mit einer großen Stadt.« Er gähnte. »Mir sind doch bloß ein Dorf an einem See.«
»Aber was haben die in unserem Dorf denn überfallen?« Anne sprach jetzt in einem für ihre Verhältnisse ziemlich strengen Tonfall.
»Eine Bank«, antwortete Nonnenmacher gelangweilt. Doch dann hatte auch er verstanden, denn er sagte mit plötzlich wacher Stimme: »Ach so, ja, eine Bank ist das ja bei uns auch.« Er wurde mit einem Mal nachdenklich. »Soso. Eine Bank …«
»Genau«, meinte Anne. »Und bald wird hier, das prophezeie ich Ihnen, der Bär tanzen. Denn wenn es denen wirklich gelingt, die Anonymous-Leute zu aktivieren, dann ist hier die Hölle los.«
»Ja, meinen Sie?«, fragte Nonnenmacher gedehnt. »Aber Sie, Frau Loop, ich bin ja so müd’. Ich mag mir das eigentlich lieber erst morgen anschauen. Vielleicht können Sie sich ja bis dahin etwas überlegen, was mir da machen können mit diesen Anonymen. Vielleicht fällt Ihnen ja was Gutes ein.« Er zögerte und schob dann noch hinterher: »Es sind ja auch Sie, der der Schönwetter die Leitung der Ermittlungen übertragen hat. Letztlich ist dieser ganze Anonymous-Schmarren also genau genommen Ihr Bier und nicht meins.«
Wir nützen unsere Brüste,
um die Demokratie zu testen.
Inna Schewtschenko (Femen-Aktivistin)
DREI
Am nächsten Morgen wurde Anne ausnahmsweise einmal nicht von ihrer Tochter Lisa geweckt. Denn schon um fünf Uhr lag sie wach, und ehe sie klar denken konnte, war wieder alles präsent: der Überfall, Anonymous, das Videoblog.
Anne sprang auf, startete den Computer und ging auf die markierte Seite in dem sozialen Netzwerk. Zunächst glaubte die Polizistin, dass sich nichts verändert habe, seit sie zu Bett gegangen war. Aber dann sah sie, dass sich auf der Seite über Nacht zweitausendeinhundertachtundzwanzig Freunde angesammelt hatten. Das war beängstigend.
Draußen zwitscherten Amseln und Spatzen, auch Entenquaken war aus Annes idyllischem Seegarten zu hören, doch die Polizistin starrte wie gelähmt auf den Bildschirm. Erst als ein Lastwagen auf der Schwaighofstraße entlangdonnerte, an der das Ferienhaus von Annes Exfreund Bernhard stand, in dem sie wohnten, wurde die gebürtige Rheinländerin aus ihrem Trancezustand gerissen. Sie stand auf und ging in ihrer Sommerschlafkleidung, knappes T-Shirt und Slip, in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.
Im Waschbecken und auf der Arbeitsfläche stand noch das seit Sonntag benutzte und ungespülte Geschirr. Anne war mit Lisa auf dem Rosstag gewesen, am Abend waren sie Pizza essen gegangen, und am Montag war sowieso keine Zeit gewesen, um aufzuräumen. Während sich die kleine Espressomaschine aufheizte, begann Anne lustlos, die schmutzigen Teller, Gläser und Tassen in die Spülmaschine einzuräumen. Natürlich brauchte man zu zweit weniger Geschirr als zu dritt. Aber solange Bernhard da gewesen war, hatte er sich hauptsächlich um die Küche gekümmert. Bernhard kochte gut und gerne. Anne arbeitete lieber im Garten oder schraubte Regale an die Wand. Aber Bernhard war jetzt Vater. Leider war das Kind nicht von Anne. Sondern von seiner Therapeutin. Das mit Bernhard konnte sie endgültig knicken, das war klar. Anne spürte ein schmerzhaftes Ziehen im Bauch.
Als sie das sprudelnde Geräusch hörte, das die Espressomaschine machte, wenn der Kaffee fertig war, fiel ihr der Anwalt ein, den sie bei ihrem letzten großen Fall kennengelernt hatte.
Sie und Sepp Kastner hatten den Täter überführt, nachdem der Typ sie im Halbdunkel eines Münchner Dachbodens fast erwürgt hätte. Der Anwalt hatte den Angeklagten verteidigt, gut und sachlich, wie Anne fand. Und am Ende des Prozesses hatten sie sich zu einem »unverbindlichen Kaffee« verabredet. Anne erinnerte sich noch genau an diese komische Formulierung. Typisch Jurist.
Doch aus der Verabredung war nichts
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