Rafflenbeul, S: Elfenzeit 14: Der Magier von Tokio
hob die Klinge wieder an. Er konnte Cagliostro inzwischen deutlich erkennen. Der hochgewachsene Magier stand vor der Kulisse eines mit bunten Bändern umschlungenen Baumes, der auf einen gespannten Seidenvorhang gemalt worden war. Stilisierte Wolken umschwebten den Baum. Im Hintergrund war eine schwarze Festung zu erkennen.
Das wirkt wie ein Bühnenbild. Und Cagliostro ist geschminkt. Sein Gesicht ist ganz weiß
. Er stutzte.
Nein, er trägt eine Maske! Eine Maske aus bemaltem Holz!
Sie bedeckte nur das halbe Gesicht und ließ den Mund frei.
David fühlte mehr, als dass er sah – ansonsten hätte er schon längst angegriffen. All seine übrigen Sinne arbeiteten fieberhaft, um den Mangel an Sehkraft auszugleichen. Er spürte eine große Gefahr, die nicht von Cagliostro selbst ausging.
Hier sind noch andere Wesen. Dunkle Geschöpfe. Mindestens zwölf
.
Dem Elfenprinzen wurde schwindelig. Das musste ebenfalls eine Nachwirkung von Cagliostros Zauber sein. Irgendwie war es dem Conte gelungen, sie abzufangen und hierher zu lenken.
»Was willst du von uns?«, herrschte er den Magier an, um Zeit zu gewinnen. Er fürchtete sich nicht vor ihm. Cagliostro war ein Mensch. Zugegeben einer, der es mit seiner Magie weit gebracht hatte, doch als Mensch würde er in der Magie niemals so mächtig werden wie ein Elf. Es gab nur wenige, die das konnten, und David war sich nach dem letzten Zusammentreffen in Venedig sicher, dass Cagliostro zwar stark war, aber nicht
so
stark.
»Was denkst du denn? Erinnerst du dich nicht an unsere letzte Begegnung? An all die herrliche Macht, die ich über deine Lebenskraft gewinnen konnte?«
»Ich weiß es noch sehr gut. Du bist gescheitert. Fürchtest du nicht den Zorn Fanmórs und der Sidhe Crain?«
»Fanmór kann mir bald nichts mehr anhaben. Ich werde dir und Rian nehmen, was ich brauche, und genug Macht sammeln, um mir ein eigenes Elfenreich untertan zu machen. Eines, das so mächtig ist wie das der Sidhe Crain. Du musst nicht mein Feind sein. Leg das Schwert zur Seite und unterwirf dich mir. Du bist jung, hast das Leben noch vor dir. Sei mir treu, und du wirst ungeahnte Wunder erleben.«
Etwas Unsichtbares traf David an der Brust. Er sackte in die Knie und keuchte auf.
»David!« Unentschlossen hielt Rian das magische goldene Netz in der Hand, das sie aus ihren Haaren gefertigt hatte. Sie schien noch schlechter zu sehen als er. Immer wieder blinzelte sie und fasste sich mit der freien Linken an die Augen.
»Es geht schon.« Verblüfft berührte David seine Brust.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, er habe meine Seele angegriffen. Aber wie kann das sein? Kann ein menschlicher Wille eine Seele attackieren? Ich dachte immer, diese Gabe hätten nur Wesen, die selbst keine besäßen, so wie Elfen ...
Cagliostros Blicke wanderten begehrlich über Rians Körper. »Ich bin erfreut, dass du nicht allein gekommen bist. Hocherfreut. Vor allem über die Schönheit deiner Begleiterin. Sie wird mir ein besonderes, geschmackvolles Geschenk sein. Wir werden uns schon einig. Dieses Mal soll es dir besser ergehen, David, als bei unserem letzten gemeinsamen Kräftesammeln.«
David spürte erneut Zorn in sich aufsteigen. Sie hatten nicht gemeinsam Kräfte gesammelt! Der Magier verdrehte die Tatsachen und versuchte, David Dinge glauben zu lassen, die Lügen waren. Cagliostro hatte sich gegen seinen Willen seiner Lebenskraft bedient und ihn dadurch fast umgebracht. Und nun versuchte dieses Monster, ihn und Rian in seinen Bann zu ziehen! David sah sich nach einem Portal um, durch das er Rian in Sicherheit bringen konnte, aber es war keines zu sehen. Überall waren gewaltige Kulissen aufgebaut. Vor der Bühne erstreckten sich die leeren Zuschauerreihen. Der gesamte Raum protzte und glänzte in einem matten Scheinwerferlicht. Die Wände waren mit dunkelroter Seide bespannt, die Sitze mit Seide und Brokat bezogen. Die Zwillinge schienen sich in einem traditionellen asiatischen Theater zu befinden.
David begegnete Cagliostros Blick hinter der weißen Maske. »Lass uns gehen, oder du wirst wieder scheitern.«
»Hoffst du etwa auf deine niedliche brünette Freundin? Die Colombina? Auf das Täubchen warte ich auch. Nichts gegen Rian, aber offen gestanden würde es mich sehr freuen, wenn Nadja Oreso käme, um mich mit ihrer Anwesenheit zu beglück...«
David machte einen Satz nach vorne und schlug zu. Ein grob gewandeter Elfenkrieger mit asiatischen Gesichtszügen im schwarzen Hakama und einer
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