Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Aufschrei. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er von Teermann auf den Streit, der sich zwischen den Drachen auszubreiten drohte.
»Genug!«, bellte Mercor, aber niemand hörte auf ihn.
»Hört auf, oder ich bringe euch alle um!«, donnerte Kalo.
Sie erstarrten zur Regungslosigkeit. Der gigantische Blauschwarze drehte langsam den Kopf und musterte die versammelten Drachen. Zwischen ihnen standen ein paar Hüter. Sedric war näher an Thymara herangerückt, und Sylve kauerte zu Mercors Füßen.
Fente traf Anstalten, sich wieder aufzurappeln.
»Lass das!«, warnte Kalo sie. Er riss das Maul weit auf, sodass die leuchtend grünen Giftsäcke in seinem Rachen zu sehen waren. Sie waren angeschwollen und pochten vor Wut. »Ich bin nicht Fauch, der seine Kräfte zeigt, bevor es wirklich nötig ist. Doch wer sich mir jetzt widersetzt, wird erfahren, welche Macht mein Gift besitzt.«
Die Drachen verhielten sich ruhig. Kalo machte das Maul zu, doch die stachelige Halskrause stand immer noch ab. Langsam sagte er: »Ich erinnere mich nicht an all das, an was sich ein Drache erinnern sollte. Und ich erinnere mich an vieles, was ein Drache nicht wissen sollte. Kelaro war ich, aus Maulkins Knäuel. Und ich folgte Maulkin, der großen güldnen Schlange, ohne Wenn und Aber.« Plötzlich richtete sich der Blick seiner silbernen Augen auf Mercor. Erst wirkte der Golddrache stutzig, neigte dann aber zustimmend den Kopf. »Kelaro war ich, und Sessurea war mir ein Gefährte.« Jetzt sah er zu Teermann hinüber. »Ich war der Stärkere, doch zuweilen war er der Weisere von uns beiden.« Schließlich glitt sein Blick über die versammelten Drachen. »Wenn wir seine Weisheit in Stücke reißen und unter uns aufteilen, dann wird sie keiner von uns in Gänze haben. Wie soll einer von uns dann wissen, was Teermann weiß? Öffnet Eure Mäuler und Nüstern, Drachen. Es gibt noch mehr Wege für einen Drachen, sich mitzuteilen. Oder für eine Schlange.«
Thymara stellte mit Erschrecken fest, dass sie Sedrics Arm ergriffen hatte und sich an ihm festhielt. Etwas war hier zugange, das ihr Angst einjagte. Vom Kahn, der sich abermals hob, drangen Schreie und Kreischen herüber. Kurz konnte sie die kräftigen Vorderbeine deutlich sehen und erhaschte sogar einen Blick auf die mit Flossen versehenen Hinterbeine. Gestank wehte ihr in die Nase und hüllte sie ein. Es war ein ähnlicher Geruch wie an jenem Tag, als die Drachen aus ihren Hüllen geschlüpft waren. Er brannte ihr in den Augen, und sie hielt sich den Hemdsärmel vor Mund und Nase, während sie keuchend Luft holte. Dann drehte sich der Kahn, und Teermanns Bug platschte ins Wasser. Als die mächtigen Hinterbeine ihn weg von dem angeschwemmten Schlamm stemmten, rollte eine Welle schmutzigen Wassers ans Ufer.
Der Kahn bewegte sich auf den Fluss hinaus. Doch schwamm er nicht auf den schnell fließenden Säurestrom mit seiner breiten Fahrrinne zu, sondern auf den langen, grünen Tunnel des klaren Flusses, den sie gestern erkundet hatte. Sie begriff das Geschehen im selben Moment wie Sedric.
» Teermann fährt ohne uns los!«
»Wartet!«, drang Sylves schrilles Kreischen herüber. Thymara sah zu ihr hinüber, erkannte aber nicht, ob der Schrei dem Schiff oder Mercor galt, denn die Drachen hatten sich in Bewegung gesetzt, um dem Kahn zu folgen. Teermann war ins tiefere Wasser hinausgewatet. Obwohl keiner der Stocherleute auf seinem Posten war, bewegte das Schiff sich unbeirrt gegen die Strömung. Thymara bemerkte, dass das Wasser an seinem Heck aufgewühlt war, und schloss daraus, dass er einen Schwanz hatte.
»Die hauen ohne uns ab! Komm schon!« Sie hatte sich an ihm festgeklammert, doch nun schüttelte er sie ab und packte sie bei der Hand. Mit der freien Hand schnappte sie Sylve, die noch immer fassungslos vor sich hinstarrte. »Lauft!«, drängte Sedric. »Kommt schon!«
Sie stürzten auf den Fluss zu. Die wütenden und besorgten Rufe an Bord von Teermann verrieten, dass weder Mannschaft noch Hüter etwas tun konnten, um den Kahn aufzuhalten. Kurz fragte Thymara sich, was mit den Jägern geschehen würde. Für gewöhnlich brachen sie vor Morgengrauen auf, um nach Wild zu suchen. Zweifellos waren sie den anderen Zufluss hinaufgefahren. Wie lange würde es dauern, bis sie herausfänden, dass der Kahn und die Drachen in eine andere Richtung weitergezogen waren?
Sie waren nicht die einzigen Hüter, die am Ufer zurückgeblieben waren. Alle liefen bei den drei kleinen Booten zusammen, die
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