RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
ein paar Worte des Dankes erwartet.«
»Wofür?«
»Mir hast du es zu verdanken, daß du teilnehmen
durftest an dieser großartigen Prozession. Sethos wollte dich ausschließen. Er
fürchtete zu Recht, du würdest nicht Haltung bewahren. Aber zum Glück hast du
dich gut benommen. Mach weiter so, dann werden wir miteinander auskommen.«
Eine Horde Beflissener folgte Chenar, als er davonging.
Sary und seine Gemahlin verneigten sich vor ihm, entzückt über die Ehre seiner
unverhofften Anwesenheit.
Ramses kraulte seinen Hund am Kopf, verzückt schloß
Wächter die Augen. Der Prinz betrachtete die Zirkumpolarsterne, von denen es
heißt, sie gingen nicht unter. Die Weisen sagten, diese Sterne bildeten im
Jenseits das Herz des wiedererweckten Pharaos, sobald er vom göttlichen Gericht
als »Hüter der Wahrheit« befunden ward.
Iset, die Schöne, schlang Ramses die Arme um den Hals;
sie war nackt.
»Vergiß doch ein bißchen diesen Hund, ich werde sonst
eifersüchtig. Du liebst mich, und gleich darauf verläßt du mich!«
»Du warst eingeschlafen, und ich war nicht müde.«
»Wenn du mir einen Kuß gibst, werde ich dir ein
Geheimnis verraten.«
»Das ist Erpressung, und das kann ich nicht leiden.«
»Es ist mir gelungen, mich von deiner älteren
Schwester einladen zu lassen. So wirst du nicht ganz so allein sein mit deiner
lieben Familie, und da uns alle schon für Mann und Frau halten, liefern wir den
Gerüchten neue Nahrung.«
Sie wurde so zärtlich und so schmeichelnd, daß der
Prinz sich ihren Liebkosungen nicht mehr zu entziehen vermochte. Er nahm sie in
den Arm, verließ die Terrasse, bettete sie aufs Lager und legte sich zu ihr.
Ameni war glücklich, denn Ramses hatte wieder
unbändigen Appetit.
»Alles ist bereit, wir können abreisen«, erklärte er
stolz, »ich habe das Gepäck selbst überprüft. Die Ferien werden uns guttun.«
»Du hast sie verdient. Willst du etwas schlafen?«
»Wenn ich eine Arbeit angefangen habe, kann ich nicht
mehr aufhören.«
»Bei meiner Schwester wirst du nichts zu tun haben.«
»Das glaube ich nicht, dein Amt beinhaltet die
Kenntnis unzähliger Vorgänge und…«
»Ameni! Weißt du eigentlich, was Entspannung ist?«
»Sollte der Knecht es seinem Herrn nicht gleichtun?«
Ramses faßte ihn um die Schultern.
»Du bist nicht mein Knecht, sondern mein Freund. Folge
meinem Rat und ruh dich ein paar Tage aus.«
»Ich will’s versuchen, aber…«
»Quält dich eine Sorge?«
»Diese verflixten Tintensteine, diese zwielichtige
Werkstatt… Ich will die Wahrheit herausfinden.«
»Wird uns das vergönnt sein?«
»Weder Ägypten noch wir selbst können einen solchen
Betrug dulden.«
»Solltest du das Zeug zu einem Staatsmann haben?«
»Du denkst wie ich, das weiß ich.«
»Ich habe meine Mutter gebeten, uns zu helfen.«
»Das ist – das ist ja wunderbar!«
»Bis jetzt haben wir noch kein Ergebnis.«
»Wir werden ans Ziel gelangen.«
»Diese Tintensteine und diese Werkstatt sind mir
eigentlich gar nicht so wichtig, aber den Mann, der dich zu töten versucht, und
den, der den Befehl dazu gab, die will ich vor mir sehen.«
Ramses’ Entschlossenheit ließ Ameni erschaudern.
»Mein Gedächtnis, Ameni, läßt mich nie im Stich.«
Sary hatte ein prächtiges Schiff angemietet, auf dem
etwa dreißig Personen bequem Platz fanden. Er erfreute sich an dem Gedanken,
auf diesem Meer zu fahren, das die Überschwemmung bewirkt hatte, und eine
Residenz mit allen Annehmlichkeiten zu beziehen, die hoch auf einem Hügel
inmitten von Palmen lag. Dort dürfte die Hitze erträglicher sein, und die Tage
würden verstreichen in Muße und Verzückung.
Der Schiffsführer hatte es eilig, die Taue zu lösen,
die Flußwache hatte ihm soeben das Auslaufen gestattet. Wenn er nicht gleich
ablegte, würde er zwei oder drei Stunden warten müssen.
»Ramses ist noch nicht da«, bedauerte seine Schwester.
»Aber Iset ist bereits an Bord«, bemerkte Sary.
»Und das Gepäck?«
»Wurde schon im Morgengrauen verladen, vor der großen
Hitze.«
Dolente trat von einem Fuß auf den anderen.
»Da kommt sein Schreiber!«
Ameni rannte mit hastigen Schrittchen. Da er solche
Anstrengung nicht gewohnt war, mußte er erst einmal Luft holen, bevor er reden
konnte.
»Ramses ist verschwunden«, bekannte er dann.
NEUNZEHN
der wanderer, begleitet von einem goldgelben Hund, trug auf dem Rücken
eine gerollte und mit einem Riemen verschnürte Matte, in der linken Hand einen
Lederbeutel, in dem
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