rank und schlank und rattenscharf
jetzt egal. Das ist ein Notfall. Auch zwei Häuser in der Nähe können mich nicht von meinem Vorhaben abhalten. Auf dem schnellsten Weg muss ich mich jetzt hinlegen, sonst breche ich zusammen. — Ich gehe noch einmal zurück zum Fluss und will meinen Rucksack absetzen, da fangen mehrere Hunde laut an zu bellen. Kira bellt natürlich sofort mit: Bloß nichts gefallen lassen. So ein Mist! Diese Wiese wäre ideal gewesen, aber mit den kläffenden Hunden geht es gar nicht. Was mir jetzt noch fehlt, ist Ärger mit den Anwohnern oder mit der Polizei.
Wie weit kann ich noch laufen? Hundert Meter, vielleicht noch maximal einen Kilometer? Also noch mal auf den Weg und weitersuchen. Wir gehen wieder über die Brücke. Ich überlege, ob man das Wasser im Fluss nicht trinken kann? — Vor Stunden habe ich den Brunnen ausgeschlagen, ein riesiger Fehler. Und nun will ich aus Verzweiflung Wasser aus dem Fluss trinken!
Nur hundert Meter hinter der Brücke sehe ich oberhalb einer Böschung Kornähren. Da oben muss ein Kornfeld sein. Auf allen Vieren krieche ich den steilen Weg hoch. Hier geht’s, endlich! Nicht ideal, aber ideal war heute gar nichts. Ich baue mit allerletzter Kraft mein Zelt auf einer abschüssigen Fläche mit hohem Gras auf. Es regnet schon seit einiger Zeit wieder unentwegt.
Das Zelt steht. Ich sperre Kira darin ein und packe meine schmutzige Wäsche zusammen. Wasser hatte ich heute mehr als genug, aber im Moment keinen einzigen Tropfen Trinkwasser. Ich nehme eine leere Flasche mit und gehe in Sandalen zurück zum Fluss. Im selben Moment als ich dort ankomme, fahrt ein Auto zu einem dieser Häuser. Das fehlt mir jetzt auch noch. Ich gehe in die Offensive und frage ihn, ob er mir meine Wasserflasche auffüllen würde. Sonst werde ich Wasser aus dem Fluss trinken müssen, da komme ich nicht mehr drum rum. Verdursten will ich bei diesem Regenwetter nicht. „Bitte stellen sie die Flasche gleich auf den Brückenpfeiler.“ — Er nimmt mir die Flasche aus der Hand und geht zum Haus.
Ich gehe über dicke Kieselsteine hinab zum Fluss und stelle mich mit Sandalen mitten in die kalten Fluten. Mit beiden Händen schöpfe ich Wasser und entleere sie über meinen Kopf. Es ist arschkalt! Was für ein Gefühl! Seit einer Woche die erste Möglichkeit, mich zu waschen. Mit freiem Oberkörper stehe ich im Wasser und reibe meine dreckige Hose, die ich noch anhabe, mit Rei aus der Tube ein. Ich versuche, soviel Dreck wie möglich abzuschrubben. Immer wieder schütte ich mir Wasser über den Kopf, die Wassertemperatur spielt jetzt keine Rolle mehr. Es bleibt saukalt, aber sagenhaft! Wäre ich nicht so erschöpft, würde ich mich jetzt hinsetzen oder reinlegen.
Mir ist kalt, ich zittere. Schnell noch die restlichen Sachen waschen und dann raus. Ich gehe zur Brücke, wo der Mann mir meine Wasserflasche hingestellt hat. Bevor er wieder fährt, grüßt er kurz. — Was hat der sich wohl gedacht? So ein Wrack von einem Pilger hat der bestimmt hier noch nicht gesehen.
Während des Laufens trinke ich zitternd schon fast die ganze Flasche aus, ich kann mich nicht mehr beherrschen. Besser wäre es, sich die Schlucke einzuteilen. Ich kann es nicht und bin schon die Hälfte der Strecke zurückgegangen. Instinktiv greife ich an die linke Außentasche meiner Hose und stelle mit Entsetzen fest, dass ich mein Cuttermesser unten am Fluss vergessen haben muss. Das kann doch jetzt nicht wahr sein! — Also noch einmal zurück.
Von der Brücke aus suche ich das Flussufer ab und sehe kein blaues Cuttermesser. Auf einmal fällt mir ein, dass ich es vorher aus der Hose genommen habe. Meine Wahrnehmungen funktionieren offenbar nicht mehr, mein Gehirn hat Sendepause. In offenen, nassen Sandalen und pitschnassen Klamotten laufe ich zurück zum Zelt. Mehrmals trete ich auf den spitzen Dorn der Schnalle und zucke jedes Mal wie vom Blitz getroffen zusammen. Ich könnte mich bücken und sie richtig zumachen, aber es fehlt die Kraft.
Die nasse Wäsche hänge ich ohne Klammern vor meinem Zelt auf die provisorisch gespannte Leine. Ich ziehe mich nackt aus, trockne mich mit dem Gästehandtuch ab, ziehe mir trockene Sachen an und robbe ins Zelt. Meinen Rucksack positioniere ich ans Kopfende, Kira liegt zu meinen Füßen, als ich in den Schlafsack krieche. So schnell ist die Welt wieder in Ordnung!
Ich zittere vor Kälte und Erschöpfung. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Dagegen waren alle Manöver und Übungen bei der Bundeswehr
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