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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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durch einen Platzregen vom Körper in die Schuhe gespült wird! Aber wenigstens hatte ich jetzt gut parfümierte Füße! Und wer weiß, vielleicht würde mich Hendrik ja beim Verlassen der Praxis auf geklaute Geldscheine untersuchen und verlangen, dass ichmeine Schuhe auszöge. Dann könnte ich punkten! Mit Sicherheit badete Isabell ihre Füße nicht in Parfüm für schlappe neunundfünfzig Euro.
    »Komm rein, du bist ja pitschenass«, sagte Hendrik und wies mit der Hand zur Küche. »Trink erst mal einen Kaffee, der wärmt ein wenig.«
    Küche? Kaffee? Mein Besuch war eigentlich ein medizinischer, dennoch setzte ich mich an den Küchentisch, stellte die Box mit Knuffelbär ab und öffnete sie. Hendrik kauerte sich davor. »He, junger Mann, du bist ja richtig gewachsen«, versuchte er den Kater herauszulocken. Aber Knuffelbär war eben ein waschechter Muglitzer geworden, fuhr seine Krallen aus und versetzte seinem ehemaligen Retter einen Hieb. Der hatte gesessen!
    Hendrik riss seine Hand zurück. Er versuchte die Schmerzen zu unterdrücken und quälte sich ein Lächeln heraus. »So so, ein kleiner Kämpfer also.«
    Nee! Muglitzer, schrie die Stimme in mir, während sie vor Freude um mein Stammhirn tanzte. Ein wenig tat es mir ja leid, aber dennoch ließ ich mir nichts anmerken. Selbst nicht, als Hendrik mir den Kaffee servierte und ihm dabei das Blut vom Handgelenk tropfte. Er hatte es schließlich verdient! Mich einfach so gehen zu lassen, ohne den Gedanken daran, dass er sich vielleicht irren könnte.
    Ich blickte mich um. »Wo ist denn deine Freundin? Upps, Exfreundin meine ich.«
    Hendrik drückte ein Zellstofftuch auf die Kratzwunde. »Ich weiß nicht. Ist doch auch egal.« Dann lief er um den Tisch und kniete vor mir nieder. »Hör zu, ich weiß jetzt, dass du das Geld nicht genommen hast. Sarah war hier und hat alles gebeichtet.«
    »Sarah war hier?«, fragte ich, um sicher zu sein, dass ich mich nicht verhört hatte.
    »Ja, und ich weiß jetzt auch, weshalb sie das Geld genommen hat.«
    Sarah war bei Hendrik und hatte gestanden. Ihr Herz war also noch koksfrei und schlug im richtigen Takt. Ein wohliges Gefühl durchdrang meinen Körper, während mir mein Verstand sagte, dass sie wirklich eine gute Chance für einen Neubeginn hatte – hier, auf der Insel. Immerhin stellte sie sich ihren Fehlern und rannte nicht mehr davor weg.
    »Verzeih mir bitte …«, seufzte Hendrik. »Ich verstehe selbst nicht, wie ich dir so misstrauen konnte.« Dann liefen zwei Tränen seine Wange hinunter und erweichten mein einst so gekränktes und verletztes Herz. Ich griff in sein dichtes welliges Haar, zog seinen Kopf heran und küsste ihn.
    Der Nachteil an einem schnauzbärtigen Geliebten war, dass sein Bart die empfindsame Haut einer Frau ziemlich reizen konnte. In meinem Fall war es der Bereich um die Lippen. Nach all den Versöhnungsküssen waren meine Lippen auf Pampelmusengröße angeschwollen. Ich sah aus wie eine dieser aufblasbaren Puppen, die man(n) in einschlägigen Geschäften kaufen konnte. Was sollten die Mädels nur denken? Und überhaupt konnte ich so nicht unter die Menschen. Verzweifelt versuchte ich den Trick mit der Zahnpasta, den mir irgendwann mal irgendwer verraten hatte. Oder war das gegen Augenringe? Ich wartete ungeduldig einige Minuten, in der Hoffnung, Colgate minderte Rötungen und kühlte geschwollene Haut.
    »Alles in Ordnung bei dir«, rief Hendrik.
    »Klar«, rief ich zurück. Aber klar war eindeutig übertrieben. Als ich die eingetrocknete Zahnpasta entfernt hatte, erschrak ich furchtbar. Ich schien auch noch allergisch auf Fluor zu reagieren. Das erkannte ich daran, dass meine Lippen mittlerweile – vollkommen ohne Botox –auf die Größe eines handelsüblichen Croissants angeschwollen waren. Meine Güte! Ich hatte ein Schlauchboot im Gesicht.
    Nach einer Viertelstunde schlich ich aus dem Bad. Hendrik, der sich mittlerweile wieder zugeknöpft hatte, suchte Augenkontakt. »Ich sollte jetzt schleunigst zurück«, sagte ich mit vorgehaltener Hand. Eine derartige Schwellung hatte ich bisher nur einmal im Leben gehabt. Damals hatten wir im Kinderheim Flaschendrehen gespielt, und ich musste Sebastian Müller küssen – den ekelhaftesten Jungen im Heim. Er aß seine Popel und andere Dinge, die ich mir nicht weiter in Erinnerung rufen möchte. Jedenfalls küsste ich ihn und bekam am selben Tag einen Mega-Lippen-Ekel-Ausschlag, der mich für mindestens ein Jahrzehnt von allem Küssbaren

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