Rasheed, Leila
ich … dein Vater …« Aber bevor sie weiterreden konnte, klopfte es laut an der Tür, und ohne auf eine Antwort zu warten, rauschte Stella Ward herein. Nach einem ersten Moment der Verblüffung fasste sich Mrs Cliffe wieder und fragte barsch: »Ward, was fällt Ihnen ein, hier einfach so hereinzuplatzen?«
Beim Anblick von Stellas hämisch triumphierendem Gesicht wurde es Rose übel.
»Cliffe, Sie werden im Salon verlangt.« Stellas Grinsen wurde noch breiter. »Und du auch, Rose.«
Rose war von Stellas dreister Unverschämtheit schockiert.
»Sind Sie betrunken?«, fragte ihre Mutter brüsk.
»Kein Grund, frech zu werden. Sputen Sie sich lieber. Lady Westlake wartet schon.«
Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie hinaus. Rose sah ihre Mutter verwundert und verängstigt an.
»Auf was die es wohl abgesehen hat?«, murmelte Mrs Cliffe. Sie eilte Stella hinterher, und Rose folgte ihr.
Als Ada den Frühstückssalon verließ, trat Cooper auf sie zu. Ada erschrak über seine besorgte Miene.
»Ich bitte um Verzeihung, Miss. Aber Lord Fintan ist hier.«
»Lord Fintan?« Ada war überrascht, aber durchaus freudig. »Führen Sie ihn doch bitte in die Bibliothek, Cooper, und sagen Sie meinem Vater Bescheid. Sie wissen sicher besser als ich, wie man einen Gentleman empfängt.«
»Ich fürchte, Miss, Ihr Vater ist im Salon … beschäftigt, mit Lady Westlake und Miss Templeton. Es ist niemand da, der Seine Lordschaft empfangen könnte.«
»Es ist doch alles in Ordnung, Cooper?«, fragte Ada.
»Dazu wage ich mich nicht zu äußern, Mylady«, erwiderte Cooper kummervoll. »Soll ich Seine Lordschaft in die Bibliothek führen?«
»J-ja. Bitte tun Sie das, ich bin sofort bei ihm.« Ada sah in den Spiegel, der im Gang hing, und strich sich gedankenverloren die Haare glatt. Lord Fintan hier am frühen Vormittag, und ihr Vater zu beschäftigt, um ihn zu empfangen? Das kam ihr äußerst merkwürdig vor. Aber es verstieß gegen die Grundregeln der Gastfreundschaft, einen Besucher warten zu lassen. Sie eilte in die Bibliothek.
Lord Fintan stand im Licht der großen Bogenfenster, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Auf dem Schreibtisch neben ihm lagen ein paar aufgeschlagene Bücher.
»Lord Fintan! Was für eine angenehme Überraschung.« Sie ging auf ihn zu, und er drehte sich lächelnd zu ihr, um sie zu begrüßen.
»Tut mir schrecklich leid, dass mein Vater nicht gleich zu Ihrer Verfügung stehen kann. Vielleicht lassen Sie sich dazu überreden, sich eine Weile mit mir zu begnügen?«
»Dazu muss ich nicht erst überredet werden.« Er beugte sich über ihre Hand. »Und eigentlich bin ich ohnehin gekommen, um Sie zu sehen.«
Ada hörte ihn, achtete aber wenig auf seine Worte. Ihre Gedanken waren bei ihrem Vater im Salon. Was in aller Welt hielt ihn dort fest? Ihr schwante nichts Gutes. Eine Erklärung gab es natürlich: Wenn Charlotte den Kuss wirklich gesehen hatte, wenn sie ihrem Vater davon erzählt hatte …
»Wollen wir eine Runde durch den Garten machen?«, schlug Lord Fintan vor. »Es ist so ein schöner Vormittag.«
»Mit Vergnügen«, antwortete Ada höflich, obwohl ihr schwindlig wurde, wenn sie daran dachte, was sich im Salon womöglich gerade abspielte.
Lord Fintan öffnete die Flügel der bodentiefen Fenster, und sie traten hinaus auf die Terrasse. In der frischen Luft nahm Ada ein paar tiefe Atemzüge und fühlte sich gleich besser. Die Sonne glitzerte auf dem See, und beim Anblick der lieblichen Hügel entspannte sie sich sofort ein wenig.
Sie schlenderten auf den Graben zu, der den Park begrenzte. Wie mechanisch machte Ada mit Lord Fintan Konversation. Hatte Charlotte etwas gesehen? Und wenn ja – würde sie es verraten?
»… haben sich sicher gefragt, warum ich Sie sehen wollte.«
Ada merkte plötzlich, dass Lord Finton ihr mit auffallendem Ernst ins Gesicht sah.
»Ich …« Da fiel ihr wieder ein, dass Charlotte sie als Rivalin um Lord Fintans Gunst betrachtete. Hatte Charlotte womöglich ihm von dem Kuss erzählt? Ada wurde puterrot und konnte ihm nicht mehr in die Augen blicken.
»Wie ich merke, haben Sie einen Verdacht«, fuhr Lord Fintan fort.
Ada brachte kein einziges Wort mehr hervor.
»Ich fasse Ihre sichtliche Verwirrung als hoffnungsvolles Zeichen auf«, sagte er in sanfterem Ton. »Bei Ihrer Intelligenz, Ihrem Seelenadel haben Sie nie etwas getan, was eine Dame zum Erröten bringen könnte. Deshalb bin ich überzeugt, dass ich das Richtige tue. Ada, wollen Sie meine Frau
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